Mord im Pfarrhaus
zurück. Sie sah wild aus… fast entsetzt. «Was meinen Sie?»
«Was hat Sie dazu getrieben? War es Eifersucht? Abneigung gegenüber Anne?»
«Oh! – Oh ja!» Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und schien plötzlich ihre Selbstbeherrschung wieder zu finden. «Ja, Sie können es Eifersucht nennen. Ich habe Anne noch nie leiden können – seit sie hierher kam und die große Dame spielte. Ich habe das verdammte Ding unter den Schreibtisch gelegt. Ich hoffte, es würde sie in Schwierigkeiten bringen. Das hätte auch geklappt, wenn Sie nicht so ein Schnüffler wären und an Dingen auf Frisiertischen herumfingern würden. Überhaupt ist es nicht Sache eines Pfarrers, der Polizei die Arbeit abzunehmen.»
Es war ein gehässiger, kindischer Ausbruch. Ich achtete nicht darauf. Wirklich, im Moment kam sie mir wie ein sehr bemitleidenswertes Kind vor.
Ihr kindischer Racheversuch gegen Anne konnte kaum ernst genommen werden. Ich sagte ihr das und erklärte, dass ich den Ohrring zurückbringen und nichts über die Umstände sagen würde, unter denen ich ihn gefunden hatte. Das schien Lettice zu beeindrucken.
«Das ist nett von Ihnen», sagte sie.
Sie überlegte einen Moment und sagte dann mit abgewandtem Gesicht, wobei sie offenbar ihre Worte sorgfältig wählte: «Wissen Sie, Mr Clement, ich würde – ich würde Dennis bald von hier wegschicken, wenn ich Sie wäre – ich glaube, es wäre besser.»
«Dennis?» Leicht überrascht, aber auch belustigt zog ich die Augenbrauen hoch.
«Ich glaube, es wäre besser.» So verlegen wie zuvor fügte sie hinzu: «Es tut mir Leid wegen Dennis. Ich hatte nicht geglaubt, er – jedenfalls tut es mir Leid.»
Dabei beließen wir es.
Dreiundzwanzigstes Kapitel
A uf dem Rückweg schlug ich Griselda einen Umweg zum Hügelgrab vor. Ich war gespannt, ob die Polizei an der Arbeit war, und wenn ja, was sie fanden. Griselda hatte jedoch zu Hause einiges zu tun und so musste ich allein gehen.
Wachtmeister Hurst leitete die Aktion.
«Bis jetzt keine Spur, Sir», berichtete er. «Und doch ist klar, dass hier der einzige Platz für ein Versteck ist. Was ich damit sagen will, Sir, ist, wo sonst könnte die junge Frau hingegangen sein, wenn sie auf dem Pfad in den Wald gekommen ist? Er führt nach Old Hall, und er führt hierher, und das ist so gut wie alles.»
«Ich nehme an», sagte ich, «dass Kommissar Slack es verschmähen würde, die junge Frau ganz einfach danach zu fragen?»
«Will ihr auf keinen Fall Angst einjagen. Alles, was sie Stone schreibt oder er ihr schreibt, kann Licht in die Sache bringen – sobald sie weiß, dass wir hinter ihr her sind, würde sie schweigen wie sonst was.»
Wie was genau blieb im Dunkeln, aber ich persönlich bezweifelte, dass Miss Gladys Cram je so schweigen würde. Ich konnte sie mir nicht anders vorstellen als von Worten überströmend.
«Wenn ein Mann ein Schwindler ist, will man wissen, warum er ein Schwindler ist», belehrte mich Wachtmeister Hurst.
«Natürlich», sagte ich.
«Und die Antwort muss in diesem Hügelgrab hier gesucht werden – warum hätte er sonst ständig hier herumgebuddelt?»
«Als raison d’être für sein Herumstreifen», vermutete ich, aber das bisschen Französisch war zu viel für den Wachtmeister. Er rächte sich, indem er kühl bemerkte: «Das ist der Standpunkt eines Amateurs.»
«Jedenfalls haben Sie den Koffer nicht gefunden.»
«Wir finden ihn, Sir. Daran gibts keinen Zweifel.»
«Da bin ich nicht so sicher. Ich habe nachgedacht. Miss Marple sagte, dass es nicht lange dauerte, bis das Mädchen mit leeren Händen wiederkam. In diesem Fall hatte sie keine Zeit gehabt, bis hier herauf und wieder zurück zu gehen.»
«Was alte Damen sagen, ist nicht ernst zu nehmen. Wenn sie etwas Merkwürdiges gesehen haben und dann neugierig warten, was passiert, dann fliegt die Zeit nur so. Und Frauen haben sowieso keinen Zeitsinn.»
Ich frage mich oft, warum die ganze Welt so dazu neigt, zu verallgemeinern. Verallgemeinerungen sind selten, wenn überhaupt, wahr und meistens sehr ungenau. Ich selbst habe einen schlechten Zeitsinn (deshalb stelle ich meine Uhr vor), und Miss Marple, behaupte ich, hat einen sehr guten. Ihre Uhren gehen auf die Minute genau und sie selbst ist bei jeder Gelegenheit unerschütterlich pünktlich.
Doch ich hatte nicht die Absicht, darüber mit Wachtmeister Hurst zu streiten. Ich wünschte ihm einen guten Nachmittag und viel Glück und ging meines Wegs.
Gerade als ich mich dem
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