Mord im Pfarrhaus
das soll ich glauben. Fast drei Viertel Meilen Wald, und Sie gehen geradewegs zur richtigen Stelle und legen die Hand darauf.»
Ich hätte Kommissar Slack ohne weiteres die Überlegungen genannt, die mich zu dieser bestimmten Stelle führten, aber er hatte es mal wieder geschafft, mich gründlich zu verärgern. Ich sagte nichts.
«Nun?» Der Kommissar betrachtete den Koffer mit Abneigung und gespielter Gleichgültigkeit. «Ich nehme an, wir könnten genauso gut schauen, was drin ist.»
Er hatte eine Auswahl Schlüssel und Drähte mitgebracht. Das Schloss war eine billige Konstruktion. Innerhalb von Sekunden war der Koffer offen.
Ich weiß nicht, was wir erwartet hatten – etwas ausgesprochen Sensationelles vermutlich. Aber was wir als Erstes sahen, war ein schmieriger karierter Schal. Der Kommissar nahm ihn heraus. Danach kam ein verblichener, abgetragener dunkelblauer Mantel. Eine karierte Mütze folgte.
«Schäbiges Zeug», sagte der Kommissar.
Das Nächste war ein Paar abgenutzte Stiefel mit schiefen Absätzen. Am Boden des Koffers lag ein Päckchen in Zeitungspapier.
«Das Sonntagshemd vermutlich», sagte der Kommissar erbittert, als er es aufriss.
Im nächsten Moment hielt er überrascht den Atem an.
Denn in dem Päckchen befanden sich einige zierliche Silbergegenstände und ein rundes Gefäß aus dem gleichen Metall.
Miss Marple stieß einen schrillen Erkennungsschrei aus.
«Die Salzschalen und das Trinkgefäß aus der Zeit von Charles II. Hat man so was schon gehört!»
Der Kommissar war sehr rot geworden.
«Darum ging es also», murmelte er. «Raub. Aber ich werde aus der Sache nicht schlau. Niemand hat davon gesprochen, dass diese Dinge fehlen.»
Ich meinte: «Vielleicht haben sie den Verlust noch nicht entdeckt. Ich nehme an, dass diese wertvollen Gegenstände nicht täglich gebraucht werden. Colonel Protheroe hat sie vielleicht in einem Safe aufbewahrt.»
«Ich muss das untersuchen», sagte der Kommissar. «Ich gehe jetzt sofort nach Old Hall. Deshalb hat sich also unser Dr. Stone so rar gemacht. Er hat befürchtet, dass wir durch den Mord und dieses und jenes auch Wind von seinen Machenschaften bekommen. Seine Sachen könnten durchsucht werden. Also hat er das Mädchen gebeten, die Gegenstände mit passender Kleidung zum Wechseln im Wald zu verstecken. Er wollte bei einer Rundfahrt zurückkommen und mit ihnen eines Nachts verschwinden, während das Mädchen hier bleibt, damit kein Verdacht aufkommt. Nun, ein Gutes hat das Ganze. Er scheidet aus dem Mordfall aus. Damit hatte er nichts zu tun. Er treibt ein ganz anderes Spiel.»
Der Kommissar packte alles wieder in den Koffer und ging. Miss Marples Angebot, ein Glas Sherry zu trinken, hatte er abgelehnt.
«Damit wäre ein Rätsel geklärt.» Ich seufzte. «Slack hat ganz Recht; es gibt keine Anhaltspunkte, den Räuber des Mordes zu verdächtigen. Alles lässt sich zufrieden stellend erklären.»
«Es sieht wirklich so aus», sagte Miss Marple. «Obwohl man nie ganz sicher sein kann, nicht wahr?»
«Es fehlt jedes Motiv. Er hat bekommen, was er wollte, und ist verschwunden.»
«J-ja.»
Sie war sichtlich nicht zufrieden, und ich schaute sie neugierig an. Eilig und fast entschuldigend beantwortete sie meinen fragenden Blick.
«Ich bezweifle nicht, dass ich ganz falsch liege. Ich bin so dumm, was diese Dinge angeht. Aber ich frage mich nur – ich meine, dieses Silber ist sehr wertvoll, nicht wahr?»
«Ein ähnliches Trinkgefäß wurde dieser Tage für über tausend Pfund verkauft, glaube ich.»
«Ich meine – es ist nicht der Silberwert.»
«Nein, es geht um den Wert unter Fachleuten und Liebhabern.»
«Das meine ich. Es würde einige Zeit dauern, bis der Verkauf solcher Sachen arrangiert ist, und selbst dann müsste es im Geheimen geschehen. Ich meine – wenn über den Raub berichtet und ein großes Geschrei gemacht würde, nun, dann könnten die Gegenstände überhaupt nicht verkauft werden.»
«Ich verstehe nicht ganz, worauf Sie hinauswollen?», sagte ich.
Sie wurde noch nervöser und unsicherer. «Ich weiß, dass ich mich schlecht ausdrücke. Aber es kommt mir vor, als hätten die Sachen nicht einfach weggenommen werden können, sozusagen. Das einzig Vernünftige wäre, sie durch Kopien zu ersetzen. Dann würde der Raub vielleicht eine Zeit lang nicht entdeckt.»
«Das ist scharfsinnig kombiniert», sagte ich.
«Es wäre die einzige Möglichkeit, nicht wahr? Und wenn es so wäre, dann hätte es natürlich, wie Sie sagen,
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