Mord im Spiegel
war. Was die anderen davon hielten, interessierte sie nicht. Ich hatte mal so eine Tante. Sie aß gern Gewürzkuchen, und deshalb machte sie immer Gewürzkuchen und brachte ihn jemand, und sie nahm sich nie die Mühe herauszufinden, ob die so was mochten oder nicht. Es gibt Leute, die essen ihn nicht gern. Die können manchmal schon den Geruch von Kümmel nicht ertragen. Nun, Heather Badcock war auch so ähnlich.«
»Ja«, sagte Miss Marple nachdenklich, »ja, das hätte zu ihr gepasst. Ich kannte jemanden, der auch so war. Solche Leute«, fügte sie hinzu, »leben manchmal gefährlich – obwohl sie es selbst nicht merken.«
Cherry starrte sie entgeistert an. »Das klingt aber komisch. Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
Miss Knight platzte ins Zimmer. »Mrs Bantry scheint weggegangen zu sein«, meldete sie. »Wohin, wusste man aber nicht.«
»Ich vermute«, sagte Miss Marple, »dass sie mich besuchen will. Ich stehe jetzt lieber auf.«
Miss Marple hatte sich gerade in ihrem Lieblingssessel beim Fenster niedergelassen, als Mrs Bantry eintraf. Sie war etwas außer Atem. »Ich habe dir eine Menge zu erzählen, Jane«, sagte sie.
»Über das Fest?«, fragte Miss Knight. »Sie sind doch sicherlich hingegangen? Ich war auch kurz dort, am frühen Nachmittag. Das Teezelt war sehr voll. Erstaunlich viele Leute waren dort. Marina Gregg habe ich nicht gesehen, worüber ich ein wenig enttäuscht war.« Sie nahm ein kleines Staubkorn von einem Tischchen und sagte fröhlich: »Nun, ich bin überzeugt, Sie beide möchten jetzt ein nettes kleines Schwätzchen halten.« Damit verschwand sie.
»Sie scheint keine Ahnung zu haben«, stellte Mrs Bantry fest. Dann musterte sie ihre Freundin scharf. »Aber du weißt Bescheid, Jane, ich sehe es dir an.«
»Du meinst die Tote?«
»Du weißt immer alles«, sagte Mrs Bantry. »Ich begreife nicht, wie du das machst.«
»Nun, meine Liebe«, sagte Miss Marple, »auf die gleiche Weise, wie man sonst etwas erfährt. Mein Tagesmädchen, Cherry Baker, berichtete es mir. Sicherlich wird es Miss Knight vom Metzger hören.«
»Und was hältst du davon?«, fragte Mrs Bantry.
»Wovon?«
»Tu nicht so begriffsstutzig, Jane, du weißt genau, was ich ’ meine! Es handelt sich um diese Frau – wie hieß sie noch…«
»Heather Badcock«, sagte Miss Marple.
»Als sie kam, war sie munter und fröhlich. Ich war zufällig in der Nähe. Und etwa eine Viertelstunde später setzt sie sich plötzlich in einen Sessel, behauptet, sie fühle sich nicht wohl, schnappt nach Luft und ist tot. Was hältst du nun davon?«
»Man sollte keine voreiligen Schlüsse ziehen«, meinte Miss Marple. »Die Frage ist natürlich, was der Fachmann davon hält. Der Arzt.«
Mrs Bantry nickte. »Es wird eine Autopsie stattfinden, und eine gerichtliche Voruntersuchung«, erklärte sie. »Das verrät doch schon, was los ist.«
»Nicht unbedingt«, sagte Miss Marple. »Jeder kann krank werden und plötzlich sterben. Und dann wird durch eine Autopsie festgestellt, woran er gestorben ist.«
»Diesmal geht es um mehr.«
»Woher weißt du das?«
»Doktor Sandford fuhr nachhause und rief die Polizei an.«
»Und woher weißt du das schon wieder?«, fragte Miss Marple äußerst interessiert.
»Vom alten Briggs«, antwortete Mrs Bantry. »Das heißt, nicht direkt. Du weißt ja, dass er sich abends, nach der Arbeit, um den Garten vom Doktor kümmert. Er hatte gerade irgendetwas in der Nähe des Arbeitszimmers zu tun und hörte durchs offene Fenster, wie Sandford mit der Polizei in Much Benham sprach. Briggs erzählte es seiner Tochter, und die unterhielt sich darüber mit der Posthalterin, und die hat es mir anvertraut.«
Miss Marple lächelte. »Ich verstehe«, sagte sie. »St. Mary Mead hat sich in dieser Beziehung nicht geändert.«
»Die Gerüchteküche ist immer noch dieselbe«, stimmte Mrs Bantry ihr zu. »Also los, Jane, sage mir, was du von der Geschichte hältst!«
»Man denkt automatisch zuerst an den Ehemann«, erwiderte Miss Marple nachdenklich. »War er da?«
»Ja, er war da. Könnte es Selbstmord gewesen sein?«, fragte Mrs Bantry.
»Ganz sicher nicht Selbstmord«, erklärte Miss Marple bestimmt. »Sie war nicht der Typ.«
»Wieso kennst du sie, Jane?«
»An jenem Tag, als ich in der Siedlung spazieren ging und hinfiel – vor ihrem Haus –, half sie mir. Sie war die Freundlichkeit in Person. Eine sehr freundliche Frau.«
»Hast du auch den Mann kennen gelernt? Sah er aus, als würde er sie am
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