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Mord im Spiegel

Mord im Spiegel

Titel: Mord im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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liebsten vergiften?«
    Als Miss Marple protestieren wollte, beschwichtigte Mrs Bantry sie. »Du weißt schon, wie ich es meine. Erinnerte er dich an Major Smith oder Bertie Jones oder jemanden, den du mal gekannt hast und der seine Frau umgebracht oder es zumindest versucht hat?«
    »Nein«, antwortete Miss Marple. »Er hat mich an niemanden erinnert, den ich kenne.« Dann fügte sie noch hinzu: »Sie dagegen schon.«
    »Wer – Mrs Badcock?«
    »Ja. Sie erinnerte mich an eine gewisse Alison Wilde.«
    »Und wer war diese Alison Wilde?«
    »Sie gehörte zu den Menschen«, sagte Miss Marple, »die keine Ahnung haben, wie das Leben ist. Sie besaß überhaupt keine Menschenkenntnis. Sie dachte auch nie an die andern. Und deshalb, verstehst du, passierten immer wieder Dinge, auf die sie nicht gefasst war.«
    »Ich glaube, ich verstehe kein Wort von dem, was du sagst«, erwiderte Mrs Bantry.
    »Es ist sehr schwer zu erklären«, sagte Miss Marple entschuldigend. »Es kommt eigentlich daher, dass jemand besonders egozentrisch ist. Ich meine nicht egoistisch. Man kann trotzdem freundlich und selbstlos und sogar rücksichtsvoll sein. Aber wenn man so ist, wie zum Beispiel Alison Wilde war, dann überlegt man nie genau, was man tut, und so weiß man auch nie, was passieren kann.«
    »Würdest du dich etwas deutlicher ausdrücken?«
    »Vielleicht lässt es sich am besten mit einer kleinen Geschichte erklären. Wohlgemerkt, sie ist nicht passiert. Ich habe sie erfunden.«
    »Nur los!«
    »Also angenommen, du willst in irgendeinem Laden etwas kaufen und weißt, dass der Sohn der Ladeninhaberin nicht gerade der Typ des ehrbaren jungen Mannes ist. Der steht also dabei, während du seiner Mutter erzählst, dass du ziemlich viel Geld zuhause herumliegen hast, oder Silber, oder Schmuck. Und du erwähnst obendrein, dass du abends eingeladen bist. Vielleicht erzählst du auch noch, dass du nie die Haustür verschließt. Du bist mit den Gedanken so bei der Sache, dass du nicht merkst, wie eifrig der junge Mann zuhört. Und nehmen wir weiter an, du kehrst an diesem bestimmten Abend noch einmal um, weil du was vergessen hast, und erwischst diesen üblen Burschen, wie er dich beklauen will, und er schlägt dich nieder.«
    »Das kann heute bald jedem passieren«, bemerkte Mrs Bantry.
    »Nicht unbedingt«, sagte Miss Marple. »Denn die meisten Menschen besitzen einen gewissen Schutzinstinkt und merken, wann es klüger ist, etwas nicht zu sagen oder zu tun, weil es jemand falsch verstehen könnte. Aber wie ich schon sagte, Alison Wilde dachte immer nur an sich – sie gehörte zu der Sorte, die genau erzählen muss, was sie getan, erlebt, gehört oder gedacht hat. Für sie ist das Leben eine Art Einbahnstraße – es geht nur darum, wie sie vorankommen. Die Mitmenschen sind für sie nicht viel mehr als – als Tapeten in einem Zimmer.« Sie schwieg und meinte dann: »Auch Heather Badcock war so.«
    »Du glaubst also«, sagte Mrs Bantry, »dass sie sich in etwas eingemischt hat, was sie nichts anging, ohne zu ahnen, was das für Folgen haben könnte?«
    »Ohne zu erkennen, wie gefährlich es war«, sagte Miss Marple. »Ich kann mir keinen anderen Grund vorstellen, warum sie ermordet hätte werden sollen. Falls wir mit der Annahme Recht haben, dass es tatsächlich Mord war.«
    »Glaubst du nicht, sie könnte jemanden erpresst haben?«, fragte Mrs Bantry.
    »Nein, nein«, wehrte Miss Marple ab. »Sie war eine harmlose, freundliche Person. So etwas hätte sie nie getan!« Sie schwieg einen Augenblick. »Die ganze Sache kommt mir so unwahrscheinlich vor. Aber sicherlich ist sie nicht – ist sie nicht…«
    »Na?«, drängte Mrs Bantry.
    »Sicherlich ist sie nicht irrtümlich getötet worden«, sagte Miss Marple grübelnd.
    Die Tür öffnete sich, und Doktor Haydock kam hereingefegt, gefolgt von einer aufgeregten Miss Knight.
    »Aha!«, rief er und musterte die beiden Damen, »wie ich sehe, sind Sie schon mitten dabei. Eigentlich wollte ich nur fragen, wie es Ihnen geht«, sagte er, zu Miss Marple gewandt, »aber das erscheint mir jetzt überflüssig. Sie haben meine vorgeschlagene Behandlungsmethode bereits befolgt.«
    »Was für eine Behandlungsmethode, Doktor?«
    Haydock deutete auf das Strickzeug, das neben Miss Marple auf einem Tischchen lag. »Es wieder aufzuziehen. Oder anders gesagt, einem Problem auf den Grund gehen.«
    Miss Marple blinzelte ganz leicht, auf eine diskrete, altdamenhafte Weise. »Hauptsache, Sie haben Ihren Spaß,

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