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Mord im Spiegel

Mord im Spiegel

Titel: Mord im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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anderes in Betracht kommen.«
    »Kann es nicht ein Unfall gewesen sein?«
    »Und wie – glauben Sie – sollte er passiert sein?«
    »So was geht leichter, als Sie ahnen. Das Haus ist voll von Medikamenten aller Art, nichts Ungesetzliches wie Rauschmittel, nein, alle wurden ordnungsgemäß verschrieben, doch sehr oft ist die tödliche Dosis von einer therapeutischen nicht weit entfernt.«
    Craddock nickte.
    »Leute vom Theater und Film benehmen sich manchmal trotz aller Intelligenz höchst seltsam. Man könnte glauben, je größer die Begabung ist, umso weniger gesunden Menschenverstand besitzen sie.«
    »Kann schon sein.«
    »All die Pillen, Fläschchen, Pülverchen und Döschen, die sie mit sich herumschleppen! Ständig nehmen sie Beruhigungspillen oder was zum Aufpeppen. Glauben Sie nicht auch, dass man da mal was durcheinanderbringen könnte?«
    »Ich finde, dass es in diesem Fall nicht möglich war.«
    »Da bin ich anderer Meinung. Jemand, irgendein Gast, wollte vielleicht was zur Beruhigung oder zur Aufmunterung nehmen und holte sein Pillendöschen hervor, das sie ja immer mit sich herumschleppen. Derjenige unterhielt sich vielleicht gerade sehr angeregt, oder er hatte die richtige Dosis vergessen, weil er das Medikament schon lange nicht mehr genommen hatte – jedenfalls, er tat zu viel in das Glas. Dann wurde er abgelenkt, schlenderte zu einer anderen Gruppe oder so, und diese Mrs Sowieso kommt vorbei, glaubt, es sei ihr Glas, nimmt’s und trinkt. Jedenfalls finde ich diese Erklärung glaubwürdiger als alle übrigen.«
    »Sie nehmen also an, dass wir derartige Überlegungen noch nicht angestellt haben?«
    »Ja, schon. Aber es war ein Haufen Leute da, und es standen überall Gläser herum, volle, halb volle und leere. Es passiert doch sehr oft, dass man das falsche Glas erwischt und daraus trinkt.«
    »Sie glauben also nicht, dass Mrs Badcock vorsätzlich getötet wurde. Sie glauben, dass sie aus einem Glas trank, das jemand anders gehörte?«
    »Ich kann mir keine andere Möglichkeit vorstellen.«
    »In diesem Fall«, sagte Craddock langsam, »war es Miss Greggs Glas. Das wissen Sie doch? Marina Gregg gab ihr ihr eigenes Glas.«
    »Oder sie hielt es nur für das eigene«, berichtigte Ella Zielinsky ihn. »Mit Marina selbst haben Sie noch nicht gesprochen, nicht wahr? Sie kann sich nicht mehr genau erinnern. Sie würde jedes Glas nehmen, das sie für das ihre hält, und daraus trinken. Dabei habe ich sie schon oft beobachtet.«
    »Nimmt sie auch Calmo?«
    »O ja. Wie wir alle.«
    »Sie auch, Miss Zielinsky?«
    »Manchmal brauche ich es einfach«, gestand Ella. »So was ist ziemlich ansteckend.«
    »Ich wäre dankbar, wenn ich Miss Gregg bald sprechen könnte«, sagte Craddock. »Sie wird wohl – hm – noch einige Zeit ruhen müssen?«
    »Sie hat nur einen hysterischen Anfall«, meinte Ella. »Sie setzt sich gern in Szene, wissen Sie. Sie dramatisiert alles. Auf eine Sache wie Mord würde sie nie mit Gelassenheit reagieren.«
    »Im Gegensatz zu Ihnen, Miss Zielinsky?«
    »Wenn alle Leute um einen herum ständig in einem Zustand der Erregung sind«, bemerkte Ella trocken, »erliegt man immer mehr der Versuchung, ins andere Extrem zu verfallen.«
    »Sie sind also stolz darauf, dass Sie nicht mal mit der Wimper zucken, wenn eine Tragödie wie dieser Mord passiert?«
    Sie überlegte einen Augenblick. »Vielleicht kein sehr netter Zug. Aber ich glaube, wenn man nicht versucht, gelassen zu bleiben, dreht man selbst durch.«
    »War Miss Gregg – gibt es Probleme bei Ihrer Arbeit mit Miss Gregg?«
    In gewisser Weise war dies eine sehr persönliche Frage, doch Craddock betrachtete sie als eine Art Test. Falls Ella Zielinsky die Augenbrauen hochziehen und fragen würde, was dies mit dem Mord an Mrs Badcock zu tun habe, würde er zugeben müssen, dass er zu weit gegangen war. Doch vielleicht machte es Ella Zielinsky Spaß, ihm zu erzählen, was sie von Marina Gregg hielt.
    »Sie ist eine große Künstlerin. Sie besitzt eine starke Ausstrahlungskraft, die man in jedem ihrer Filme spürt. Und deshalb hält man es für eine große Ehre, dass man für sie arbeiten darf. Wenn man’s aber rein privat sieht, dann ist sie ein Teufel. Natürlich.«
    »Ach.«
    »Sie kennt keine Mäßigkeit, verstehen Sie. Entweder schwebt sie im Himmel oder ist zu Tode betrübt. Und alles wird immer entsetzlich übertrieben. Sie ist launisch, und es gibt viele Dinge, die man ihr gegenüber nie erwähnen oder auf die man nie anspielen darf,

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