Mord im Spiegel
weil sie sich aufregen würde.«
»Zum Beispiel?«
»Man spricht nicht von Nervenzusammenbrüchen oder Sanatorien oder Nervenheilanstalten. Ich glaube, jeder weiß, dass sie darauf empfindlich reagiert. Und alles, was mit Kindern zu tun hat.«
»Mit Kindern? In welcher Beziehung?«
»Es regt sie auf, wenn sie Kinder sieht, wenn sie von Leuten hört, die Kinder haben und glücklich sind. Wenn sie erfährt, dass eine Frau ein Kind erwartet oder bekommen hat, wird sie sofort krank. Sie kann nie mehr ein Kind haben, verstehen Sie, und der einzige Sohn, den sie hat, ist schwachsinnig. Wussten Sie das eigentlich?«
»Ich habe davon gehört, ja. Eine sehr traurige Geschichte. Doch man sollte glauben, dass sie nach so langer Zeit darüber hinweggekommen ist.«
» Sie nicht. Es ist bei ihr zur fixen Idee geworden. Sie brütet ständig darüber nach.«
»Was hält Mr Rudd davon?«
»Ach, das Kind war nicht von ihm. Es stammte von ihrem früheren Mann, Isidore Wright.«
»Ach, ja, ihr früherer Mann. Wo lebt er jetzt?«
»Er hat wieder geheiratet und ist in Florida«, erwiderte Ella.
»Würden Sie sagen, dass sich Miss Gregg in ihrem Leben viele Feinde gemacht hat?«
»Sicherlich nicht mehr als üblich. Es gibt immer Streitereien wegen Frauen oder andern Männern oder Verträgen oder aus Eifersucht – so das Übliche.«
»Wissen Sie, ob sie vor jemandem Angst hatte?«
»Marina? Sie soll vor jemandem Angst haben? Das glaube ich nicht! Warum auch? Warum?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Craddock. Er nahm die Namenliste vom Schreibtisch. »Vielen Dank, Miss Zielinsky. Sollte ich noch Fragen haben, darf ich doch wiederkommen?«
»Selbstverständlich. Ich möchte Ihnen helfen, so gut ich kann. Wir alle möchten Ihnen helfen.«
»Na, Tom, was haben Sie für mich?«, fragte Craddock. »Sind Sie auf Gold oder Silber gestoßen?«
Die beiden Männer wohnten im »Blue Boar«, und Sergeant Tom Tiddler war gerade aus dem Filmstudio zurückgekehrt, wo er den ganzen Tag gewesen war.
»Der Goldfund ist sehr klein«, sagte Tiddler. »Kaum Klatsch. Keine aufregenden Gerüchte. Ein oder zwei Vermutungen, dass es Selbstmord gewesen sei.«
»Warum Selbstmord?«
»Sie soll sich mit ihrem Mann gestritten haben und brachte sich um, damit er ein schlechtes Gewissen hat. So was in der Richtung. Und dass sie es nicht ernst meinte und sich nicht töten wollte.«
»Keine sehr viel versprechende Lösung.«
»Nein, natürlich nicht. Die dort wissen überhaupt nichts, verstehen Sie? Die kennen nur ihren Beruf. Nichts als Technik und dazu diese Atmosphäre von ›die Show muss weitergehn‹ oder wie das heißt. Also in diesem Fall ›das Filmen muss weitergehen‹. Die Dreharbeiten dürfen nicht unterbrochen werden. Die beschäftigt nur die eine Frage: Wann Marina Gregg weitermachen kann. Sie hat schon einmal durch einen Nervenzusammenbruch einen Film erledigt.«
»Ist sie beliebt oder nicht?«
»Sie ist eine Landplage, verteufelt schwierig, trotzdem sind alle von ihr fasziniert, wenn sie in der Stimmung ist, charmant zu sein. Ihr Mann vergöttert sie.«
»Was hält man von ihm?«
»Sie finden, dass er der beste Regisseur oder Produzent ist, den es gibt.«
»Keine Gerüchte, dass er sich mit einem anderen Star eingelassen oder ein Verhältnis hat?«
Tom Tiddler sah ihn entgeistert an. »Nein!«, rief er. »Bestimmt nicht. Nicht die kleinste Spur in dieser Richtung. Wieso halten Sie das für möglich?«
»Ich überlege nur«, antwortete Craddock. »Marina Gregg ist überzeugt, dass die tödliche Dosis ihr selbst galt.«
»Tatsächlich. Hat sie Recht?«
»Das steht beinahe fest«, antwortete Craddock. »Doch darum geht es nicht. Der Witz ist, dass sie es ihrem Mann nicht erzählt hat. Nur ihrem Arzt.«
»Glauben Sie, dass sie es ihm gesagt hätte, wenn er…«
»Es könnte möglich sein, dass sie insgeheim ihren Mann für den Schuldigen hält. Der Arzt hat sich etwas seltsam benommen. Vielleicht bilde ich es mir nur ein. Allerdings glaube ich es nicht.«
»Im Filmstudio gab es solche Gerüchte nicht«, erklärte Tom. »So etwas würde sich schnell herumsprechen.«
»Sie hat keine Beziehung zu einem anderen Mann?«
»Nein. Sie scheint ihren Mann zu lieben.«
»Keine interessanten Details über ihre Vergangenheit?«
Tiddler grinste. »Nichts, was nicht in jeder Filmillustrierten steht.«
»Ich sollte wohl mal ein paar lesen«, meinte Craddock, »um das Milieu etwas besser kennen zu lernen.«
»Um zu erfahren, was
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