Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
das Reich des Westens geschickt haben mochten.
Parahotep? Der Zeichner hatte Schätze aus dem Haus der Ewigkeit des Pharaos in seinem eigenen Grab. Kaaper? Der Priester verbarg das legendäre Traumbuch des Chnumhotep, das Kenherchepeschef erst kurz zuvor als Prunkstück seiner erlesenen Sammlung alter Papyrusrollen hinzugefügt, dessen Bedeutung er wahrscheinlich gar nicht richtig gewürdigt hatte. Hunero? Der Erste Schreiber hatte sie zu einer Ehe gezwungen, in der sie ihm noch viele Jahre über seinen eigenen Tod hinaus hätte dienen müssen. Sennodjem? Er wäre niemals Erster Schreiber geworden, wenn Kenherchepeschef mit Hunero einen Nachfahren gezeugt oder wenn er sein heimliches Verhältnis zur Sklavin Tamutnefret verraten hätte.
Er hatte die Männer und Frauen vom Ort der Wahrheit in den letzten Tagen meist nur beim gemeinsamen Frühstück im schattigen Innenhof von »Sobeks Rast« gesehen. Sie hatten gespürt, dass irgendetwas mit ihm nicht in Ordnung war. Sie waren freundlich zu ihm gewesen, aber höflich genug, um ihn nicht mit Fragen zu bedrängen.
Einzig Hunero hatte ebenfalls einen großen Teil ihrer Zeit in der Herberge verbracht. Manchmal hatte sie ihn angelächelt oder ihm Wasser, Brot und Honigkuchen gebracht. Oft aber hatte sie mit dem alten, verkrümmten Wasserträger zusammengesessen, dem »Sobeks Rast« gehörte. Die beiden hatten oft bis tief in die Nacht hinein Seite an Seite auf einer Bank gehockt und sich flüsternd unterhalten, wobei Hunero oft in helles Lachen ausgebrochen war. In seinen wenigen klaren Momenten, in denen ihm nicht trübe Gedanken an Baketamun, den Mörder Kenherchepeschefs oder einfach nur der Wein den Geist vernebelt hatten, hatte sich Rechmire gefragt, welches Geheimnis diese beiden Menschen wohl verband; er hatte sogar zu seinem eigenen Erstaunen bemerkt, dass er in irgendeiner unbestimmten Form eifersüchtig war auf den buckeligen Wasserträger.
Rechmires wirre Gedanken wurden von einem verängstigten, aufgeregten Sklaven vertrieben, der in den Hof stürzte, als sie alle gerade beim Morgenmahl saßen – alle, außer Sennodjem. Der Sklave hatte den Flur gefegt und dabei bemerkt, dass die Matte vor Sennodjems Zimmer einen Spalt breit aufgeschlagen worden war. Er hatte neugierig hindurchgesehen – und war dann schreiend fortgerannt.
Wenige Augenblicke später drängten sich die Menschen von Set-Maat in dem engen Flur. Doch alle ließen Rechmire wie selbstverständlich hindurch, als er gemessenen Schrittes auf das Zimmer zuging und die angelehnte Tür langsam aufdrückte. Tamutnefret schrie auf und verbarg ihr Gesicht, als sie den blutüberströmten Toten erblickte, doch ansonsten sagte niemand ein Wort.
Sennodjems Frau Webehet, die stets in einem eigenen Zimmer übernachtet hatte, stand starr, aber seltsam unberührt da. Stumm blickte sie auf ihren ermordeten Gatten, dann verbarg sie ihren Kopf unter einem Leinenschleier und ließ sich von ihren vier Töchtern hinunter in den Innenhof führen.
Rechmire unterdrückte einen Anfall von Übelkeit. Eine unheimliche Ruhe und zuvor nie gekannte Klarheit der Gedanken überkam ihn.
»Djehuti, du bewachst Sennodjems Raum«, befahl er mit kalter Stimme. »Lass niemanden hinein, wenn ich es nicht ausdrücklich erlaube. Postiere zwei Medjai vor die Herberge und schick einen deiner Männer zum Palast des Tschati. Mentuhotep muss wissen, was hier vorgefallen ist. Außerdem will er vielleicht auch seine eigenen Soldaten hierher schicken.«
Der Nubier verbeugte sich stumm, rief seinen Männern dann ein paar Befehle zu und stellte sich anschließend breitbeinig vor das Zimmer, den blanken Dolch in der Hand.
Rechmire wandte sich einem halbwüchsigen Jungen zu. »Lauf zum Großen Tempel von Karnak und sag Kaaper, dass er sofort kommen soll«, wies er ihn an.
Dann betrat er mit vorsichtigen Schritten den Raum, in dem Sennodjem den Tod gefunden hatte.
Aus dem Augenwinkel sah er, dass Hunero ihm folgen wollte. Mit einem Nicken befahl er Djehuti, die junge Witwe passieren zu lassen. Sie legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter, und er spürte überrascht, dass sie gefasster war als er.
Rechmire starrte auf die Leiche, ohne es jedoch zu wagen, sie zu berühren. Sennodjem hatte zwei tiefe Stichwunden in der Brust, die ihm die Lebenskraft geraubt hatten – wenn auch nicht sofort, denn beide hatten das Herz verfehlt.
Er merkte, wie Huneros Griff fester wurde, und blickte auf. Stumm deutete sie auf die Seitenwand oberhalb der
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