Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
schon sehr gute Gründe haben – ein oder zwei Morde zum Beispiel. Andererseits kann ich keinen eingetrockneten Blutrest erkennen. Doch das hat natürlich wenig zu sagen.«
Hunero schlang ihre Arme um den Leib, als wenn ihr so kalt wäre wie in der tiefsten Kammer eines Pharaonengrabes.
»Der Mörder wollte, dass ich den Dolch finde«, sagte sie leise.
»Oder ich«, vermutete Rechmire düster, »denn er konnte sicher sein, dass du ihn mir zeigen würdest. Er spielt mit uns.«
Dann versuchte er, ihr ein aufmunterndes Lächeln zu schenken, das allerdings nicht sehr überzeugend ausfiel. »Ich werde dich zurück zu deinem Haus geleiten«, schlug Rechmire vor. »Dann werde ich ja sehen, ob dort noch weitere interessante Überraschungen auf uns warten.« Er lachte kurz und freudlos.
Rechmire brachte sie zurück. In Kenherchepeschefs Haus durchsuchte er sorgfältig alle Truhen und Kisten in sämtlichen Räumen. Er fuhr auch mit der bloßen Hand durch die Asche des Ofenfeuers und überwand sogar seinen Widerwillen und kippte den Nachttopf mit den Exkrementen auf dem Innenhof aus und stocherte mit einem Stock in den stinkenden Resten herum – vergeblich. Er konnte nichts finden, das ihm auch nur im Entferntesten verdächtig vorgekommen wäre.
Doch die ganze Zeit über war Hunero nicht von seiner Seite gewichen. Die junge Witwe hatte ihn schweigend und aufmerksam beobachtet. Als Rechmire schließlich seine Suche entmutigt abbrach, sich die Hände wusch und sich dann müde auf einen Schemel fallen ließ, holte sie tief Luft. »Ich denke, es ist das Beste, wenn du über mich und meinen verstorbenen Gatten alles erfährst«, murmelte sie.
Rechmire war mit einem Schlag wieder hellwach, bezwang sich aber so weit, seine begierige Aufmerksamkeit nicht zu zeigen. »Das wird mir sicherlich sehr helfen«, entgegnete er freundlich und ein wenig steif. »Und Amun wird es dir danken«, setzte er überflüssigerweise hinzu.
Hunero lachte. »Hathor ist meine Schutzgöttin«, antwortete sie. »Das hoffe ich zumindest. Hunero ist die zärtliche Form des Namens Hathor, wusstest du das?«
Rechmire nickte nur.
»Hathor ist die Göttin des Todes – und sie ist auch die Göttin der Liebe«, fuhr sie fort. »Und deshalb bin ich ihr anbefohlen. Ich bin am Ort der Wahrheit geboren, der ein Ort des Todes ist. Aber ich bin auch ein Kind der Liebe. Einer heimlichen Liebe allerdings.« Sie blickte verlegen zu Boden, dann erzählte sie in leisem Tonfall weiter: »Der Mann meiner Mutter ist nicht mein Vater. Er war als Steinbrecher während der Woche in den Häusern der Ewigkeit. An diesen Tagen hat meine Mutter den Mann getroffen, den sie wirklich liebte.«
Rechmire blickte sie mit großen Augen an, weil er plötzlich anfing zu verstehen. »Der Wasserträger mit dem verkrümmten Rücken«, rief er verblüfft. »Er ist dein Vater.«
Hunero lächelte stolz und nickte. »Meine Mutter hat es mir schon gestanden, als ich noch ein kleines Mädchen war. Seit ich mich zurückerinnern kann, wusste ich, dass er mein wirklicher Vater ist. Ich habe dieses Geheimnis immer für mich behalten.« Dann verdüsterte sich ihr Blick. »Und doch hat es Kenherchepeschef eines Tages irgendwie herausgefunden.«
»Und damit hat er dich zwingen können, ihn zu heiraten.« Rechmire wurde langsam einiges klar.
Sie nickte müde. »Er duldete es, dass mein Vater als Wasserträger zum Ort der Wahrheit kam, obwohl er schon alt ist und jüngere Männer mehr Wasser hätten schleppen können. Es war sogar der Erste Schreiber, der dafür gesorgt hat, dass alle Einwohner von Set-Maat dieses Jahr zum Opet-Fest in ›Sobeks Rast‹ einkehrten. Meinem Vater, der sich diese Herberge nach jahrelanger Plackerei vom Mund abgespart hatte und den dieser Lebenstraum beinahe ruiniert hätte, hat dieser Entschluss viele Deben Silber eingebracht. Doch wenn ich in die Ehe nicht eingewilligt hätte, drohte Kenherchepeschef damit, die Ehre meiner Mutter öffentlich in den Schmutz zu ziehen, meinen Vater vom Ort der Wahrheit fern zu halten, seine Herberge in Theben schließen zu lassen und mich für alle Zeiten aus Set-Maat zu verbannen.«
Hunero schwieg lange und Rechmire war taktvoll genug, um sie nicht durch neugierige Fragen zu bedrängen. Schließlich fasste sie sich. Als sie fortfuhr zu berichten, hatte ihre Stimme einen betont nüchternen Tonfall.
»Also heiratete ich Kenherchepeschef, ließ mich jedoch nicht von ihm anrühren. Er wollte mich nur besitzen, damit ich seine Nachkommen
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