Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
vom Nordtor aus in die Berge schlängelte. Amuns Wagen stand noch östlich des Zenits, doch sein Licht war grell. Die Felsen schimmerten weiß und gelb, als bestünden sie aus purem Schwefel. Die Hitze stand wie ein dichter, aber unsichtbarer schwerer Vorhang aus flirrender Luft über dem engen Weg, auf dem Generationen von Arbeitern alles Geröll weggefegt, - geschoben oder zu Staub zertreten hatten.
Rechmire vermisste hier noch mehr als anderswo den Lärm und die Gerüche Thebens. Hier hörte er kaum seine eigenen Schritte auf dem Felsenboden und hin und wieder den Ruf eines Falken, der als schwarzer Schatten hoch über ihnen am fahlblauen Himmel kreiste. Er roch heißen, trockenen Sand und manchmal einen Hauch von Salbei und anderen Gewürzen, nach denen Tamutnefrets Hände dufteten.
Er betrachtete die Sklavin, die mit raschen Schritten vor ihm herging, sodass er kaum folgen konnte. Sie trug einen Namen, auf den auch tausend andere Frauen im Lande Kemet hörten, doch sie sah nicht so aus, als sei sie am Nil geboren worden. Rechmire fragte sich, woher sie stammte und was sie hierher verschlagen haben mochte, doch er hielt es für unter seiner Würde, mehr Worte als unbedingt notwendig mit Tamutnefret zu wechseln.
Nach einer guten halben Stunde passierten sie eine Ansammlung ärmlicher kleiner Hütten aus unverputzten Lehmziegeln, die auf einer Passhöhe standen. Rechmire sah keinen Menschen, doch zwei an Pflöcke gebundene Paviane, die in der Sonne dösten, ein paar Wasserkrüge im Schatten vor den Hausmauern und Leinentücher, die jemand zum Trocknen in die Sonne gelegt hatte.
»Das Lager der Arbeiter«, erklärte die Sklavin. »Die meisten Männer hausen ein paar Tage lang hier und kehren während der Woche nicht in das Dorf zurück, weil der Weg nach der langen Schufterei im Haus der Ewigkeit zu anstrengend und in der Dunkelheit auch gefährlich ist.«
»Und am Wochenende?«, fragte Rechmire.
»Da sind die Hütten verlassen«, antwortete die Sklavin schnell – ein wenig zu schnell, wie Rechmire fand.
»Bleibt niemand hier, um eine Arbeit zu vollenden?«, fragte er. »Ich erinnere mich, dass ich als kleiner Junge einmal einen Maler bewundert habe, der ein großes Bildnis des Amun am ersten Pylon des Tempels von Karnak schuf. Er arbeitete wie von einem Dämon besessen vom ersten Licht des Sonnenwagens bis zur Dunkelheit, und das alle Tage fort, selbst an den höchsten Feiertagen. Er erklärte mir, dass er keine Ruhe finden würde, bis er sein Werk nicht vollendet habe; erst dann könne er sich Muße gönnen. Gibt es unter den Männern am Ort der Wahrheit nicht einen Maler, der ähnlich denkt? Der lieber sein Werk vollendet, als für ein Wochenende ein halb fertiges Bild eines Gottes oder Pharaos zurückzulassen?«
Die Sklavin blickte ihn mit einem undurchdringlichen Blick an und schwieg lange, bevor sie sich zu einer Antwort entschloss. »Parahotep wäre so ein Künstler. Er ist ein junger Zeichner. Ich verstehe nicht viel von diesen Dingen, doch ich habe die Männer in vielen Häusern sagen hören, dass sie ihn für einen der besten Zeichner halten, die je am Ort der Wahrheit dienten. Manche sagen, dass er so verliebt sei in seine Arbeit, dass er gerne auch die freien Tage im Haus der Ewigkeit verbringen würde. Aber er darf es nicht.«
»Wer hat es ihm verboten?«, fragte Rechmire.
»Kenherchepeschef«, erwiderte die Sklavin. »Er wollte außerhalb der regulären Arbeitszeiten keinen Menschen am Grab des Pharaos sehen, denn er fürchtete sich vor Räubern. Manche Schätze unseres Herrn sind schon im Haus der Ewigkeit, obwohl die wertvollsten Stücke natürlich so lange im Palast bleiben, bis Merenptah seinen langen Schlaf antreten wird. Doch für das, was schon hier ist – Truhen, Betten, Stühle und andere Dinge –, ist der Erste Schreiber verantwortlich. Und Kenherchepeschef sagte immer wieder, dass er keine Ausnahme dulden werde. Niemand durfte das Grab außerhalb der Arbeitszeit betreten, damit niemand einen Vorwand hatte für Räubereien.«
»Wäre denn dieser junge Zeichner jemand, der es wagen würde, die Schätze des Pharaos anzurühren?«, wollte der Schreiber wissen.
Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Er richtet sich, wie viele Diener am Ort der Wahrheit, sein Grab am Hügel oberhalb des Dorfes ein. Da wäre der Reiz natürlich groß, dort ein Stück für alle Ewigkeit zu verstecken, das der Pharao einst in der Hand gehabt hatte. Aber andererseits scheint mir Parahotep
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