Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
wirklich verliebt zu sein in seine Arbeit. Er und Kenherchepeschef hatten«, sie zögerte und suchte nach den richtigen Worten. »Ich glaube, sie liebten und sie hassten sich. Parahotep soll dem Ersten Schreiber sogar in einem Brief gedroht haben, ihn in das Reich des Westens zu schicken. Andererseits kümmerte sich Kenherchepeschef, dem die meisten seiner Arbeiter ziemlich gleichgültig waren, um niemanden mehr als um Parahotep.«
»Wir sind bald da«, fuhr Tamutnefret fort, die offensichtlich das Thema wechseln wollte. »Von jetzt an führt der Weg nur noch bergab.«
Sie hatte Recht. Rechmire sah, dass sie in ein schmales Tal hinabstiegen, das sich wie das schroffe Bett eines vor Jahrtausenden ausgetrockneten Flusses in Nord-Süd-Richtung durch die Berge fraß. Große Geröllhaufen, einzeln stehende Felsenblöcke und enge, im annähernd rechten Winkel abzweigende Seitentäler ließen den Rand der Schlucht zerfasert aussehen wie ein altes Stück Leinentuch. Als er auf dem flachen Grund ankam, knirschte jeder Schritt unter Tausenden von kleinen weißen und hellgelben Kalksteinsplittern, die den Felsenboden bedeckten. Er bemerkte erstaunt, dass einige von ihnen mit Zeichen in schwarzer oder roter Tinte bekritzelt waren. Er hob eine kaum handtellergroße Steinplatte auf und betrachtete ein sorgfältig ausgeführtes Bildnis des falkenköpfigen Gottes Horus.
»Die Zeichner machen oft Skizzen auf den wertlosen Felssplittern, bevor sie die Wände im Haus der Ewigkeit ausmalen«, erklärte Tamutnefret, als sie Rechmires Verwunderung bemerkte. »Es ist besser, vorher zu üben, als die ganze Zeit im Grab die Zeichnungen korrigieren zu müssen.«
Sie gingen in nördlicher Richtung und bald konnte Rechmire Stimmen hören, Kommandos und Rufe, außerdem das Rasseln von Geröll, das auf Felsen gekippt wurde. Doch er konnte niemanden sehen, bis sich plötzlich zu ihrer Linken ein schmales Seitental öffnete. Am Ende der Schlucht, etwas über dem Talgrund, erblickten sie einige Männer, auf deren Haut sich Schweiß und Steinstaub zu einer hellgelben Kruste vermischt hatten, die ihnen das Aussehen lebender Statuen gab. Sie kippten Steinsplitter aus ledernen Körben und Eimern auf eine Abraumhalde, die bereits größer war als zwei Häuser.
Dann kehrten sie um und verschwanden in einem schwarzen Schacht in der Flanke des Berges – im zukünftigen Grab des Pharaos.
Rechmire entdeckte Sennodjem, der im Schatten eines Palmwedels hoch über dem Eingang zum Haus der Ewigkeit in einer Felsennische hockte und Granatäpfel kaute.
Er wandte sich an die Sklavin. »Geh zurück zu den Hütten der Arbeiter und ruh dich aus«, sagte er Tamutnefret. »Ich werde hier einige Stunden bleiben und dich dann wieder auf dem Rückweg abholen.«
Sie verneigte sich stumm und drehte sich um, offensichtlich erleichtert, nicht länger an diesem Ort verweilen zu müssen.
Rechmire kletterte den Abhang hinauf, bis er vor der Nische stand, in der Sennodjem ruhte. Aus der Nähe erst sah er, dass sie sorgfältig aus dem Felsen herausgehauen worden war, eine Art steinerner Thron, von dem aus man nicht nur die Arbeiten an Merenptahs Grab, sondern auch einen weiten Abschnitt des Tals überblicken konnte. In die glatt polierte Rückenlehne war ein Hieroglyphenband eingegraben, das Rechmire unschwer entziffern konnte: »Dies ist der Sitz des Ersten Schreibers Kenherchepeschef.«
Sennodjem bemerkte den Blick des jungen Schreibers und lächelte hinterhältig. »Kenherchepeschef hat diesen Platz gut gewählt«, meinte er mit übertriebener Gelassenheit, »du sitzt auf ihm nicht nur bequem wie auf dem Thron des Pharaos, sondern auch mit dem Kopf im leichten Luftzug, der ständig über die westliche Wüste streicht. Das macht die Gedanken klar. Möchtest du es einmal ausprobieren?«
Er stand auf und lud ihn mit einer Geste ein, den Platz einzunehmen. Rechmire glaubte nicht mehr als die meisten gebildeten Männer an böse Vorzeichen, doch er scheute sich, den Sitz des Toten einzunehmen, und wehrte dankend ab.
»Ich möchte gerne sehen, wo Kenherchepeschef erdolcht worden ist«, sagte er.
Der Zweite Schreiber verzog das Gesicht und zögerte einen Moment, bevor er seufzte und nickte. »Also schön. Aber, so wahr Meretseger diesen Ort beschützt, du wirst dich und mich umsonst bemühen, denn dort gibt es nichts, was dir weiterhelfen könnte.«
Sennodjem führte Rechmire auf einem schmalen Pfad bis zum Eingang des Grabes, aus dem in diesem Augenblick wieder einige
Weitere Kostenlose Bücher