Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
Vom Netzwerk:
auch dann nicht schwächer, als er immer tiefer hinabschritt. Schließlich stand er in der Mitte der halb fertigen Grabkammer. Dort sah er auf dem Boden, genau an der Stelle, an der der ermordete Erste Schreiber gelegen hatte, eine kleine Tonschüssel mit Wasser. Rechmire hatte plötzlich ungeheuren Durst. Er kniete nieder, nahm die Tonschüssel und trank. Er nahm viele tiefe Züge, viel mehr, als eigentlich Wasser in die Schüssel hineingepasst hätte. Er trank so gierig, dass ihm Flüssigkeit über das Kinn hinablief und auf seine Brust tröpfelte. Für einen Augenblick sah er an sich hinab – und erstarrte: Die Flüssigkeit auf seiner Brust war rot. Entsetzt starrte er in die Tonschüssel und erkannte, dass sich das Wasser in Blut verwandelt hatte. Und in diesem Moment wusste er mit absoluter Sicherheit, dass es sein eigenes Blut war, was er getrunken hatte.
    Rechmire wachte schweißgebadet auf, weil ihn jemand heftig an der Schulter schüttelte. Verwirrt blickte er in das besorgte Gesicht Tamutnefrets. Die Sklavin ließ ihn los und trat einen Schritt zurück, als sie bemerkte, dass er wach geworden war. »Du hattest einen schweren Traum. Es war besser, dich aus dem Reich des Schlafes zurückzuholen«, erklärte sie entschuldigend, »bevor dich die Dämonen für immer dort festhalten.«
    Rechmire murmelte seinen Dank und goss sich einen Krug Wasser über den Kopf, das inzwischen lauwarm geworden war. »Ich werde zu Kaaper gehen«, sagte er heiser. »Ich muss dem Priester noch ein paar Fragen stellen.«
    »Ich werde dich zu dem Haus führen, das ihm zugeteilt worden ist«, erbot sich die Sklavin.
    Eine halbe Stunde später – Rechmire hatte sich mit mehreren Krügen Wasser übergossen und ein neues leinenes Lendentuch angelegt, sodass er sich zumindest äußerlich gereinigt und wieder hergestellt fühlte – stand er vor dem Haus des Priesters, das in der ersten Gasse hinter dem Nordtor lag. Er dankte Tamutnefret und schickte sie zurück, bevor er anklopfte, denn er wollte allein mit dem Priester sprechen.
    Es dauerte lange, bis ihm Kaaper öffnete. Er blinzelte mit seinen trüben Augen in das Licht.
    »Ein langes Leben und Gesundheit. Ich grüße dich, Kaaper«, sagte Rechmire und verbeugte sich leicht.
    »Rechmire, willkommen in meinem Palast«, rief Kaaper. Es war offensichtlich, dass er seinen Besucher erst an der Stimme erkannt hatte. Er führte ihn ins Innere, das, obwohl der Priester erst seit einigen Tagen im Dorf lebte, bereits Spuren von Verwahrlosung zeigte: Eine längliche Truhe für die Gewänder Kaapers stand offen, auf der Kleidung und in den Ecken des Raumes hatte sich feiner gelblicher Flugsand angesammelt. Auf der Leinenmatte, die Kaaper über den Divan ausgerollt hatte, waren schmutzig-weiße Schweißspuren eingetrocknet.
    »Nun sag mir: Wer war der Frevler?«, fragte der Priester.
    Rechmire hüstelte verlegen. »Ich habe schon viel erfahren und bin doch keinen Schritt weitergekommen«, gestand er.
    Der Priester lachte. »Das überrascht mich nicht. Wenn es einfach gewesen wäre, den Mörder Kenherchepeschefs zu finden, dann hätten Sennodjem oder einer der Arbeiter dies schon getan und sich vom Tschati eine große Belohnung auszahlen lassen.«
    Rechmire berichtete ihm mit wenigen Sätzen von seinen bisherigen Nachforschungen. Dann holte er die drei Papyri aus dem Hause Kenherchepeschefs aus einem Lederbeutel hervor und legte sie auf einen niedrigen Tisch in der Mitte des Raumes. Der Priester, der ihm schweigend und reglos zugehört hatte, tastete mit der Rechten nach ihnen, bis er eine Rolle ergriffen hatte. Vorsichtig strich er mit zusammengelegtem Zeige- und Mittelfinger darüber, dann murmelte er: »Die Rolle ist fünfzig Jahre alt, mindestens. Aber andererseits ist sie weniger als hundert Jahre alt.«
    »Es sind zweiundsechzig Jahre«, bestätigte Rechmire. »Der Text auf der Vorderseite ist datiert. Aber wieso konntest du das erraten?«
    »Das hat mit raten wirklich nichts zu tun«, erwiderte Kaaper und lächelte stolz. »Weißt du, wie Papyrus hergestellt wird?«
    Rechmire lachte auf. »Du machst einen Scherz, Priester!«, rief er. »Es ist eines der größten Geheimnisse im Lande Kemet, das nur die verschwiegenen Arbeiterfamilien kennen, die seit Generationen diesen Stoff fertigen.«
    Kaapers trübe Augen blickten ihn mitleidig an. »Soll ich dir das Geheimnis verraten?«, bot er an.
    Rechmire schluckte und erwiderte nichts.
    »Du hast sicher schon gesehen, wie die Arbeiter die

Weitere Kostenlose Bücher