Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
er erfreut, den Zweiten Schreiber neben sich zu sehen.
»Du wirst in Theben bleiben«, sagte Sennodjem leise. Es klang nicht wie eine Frage.
Rechmire sah ihn erstaunt an. »Ich werde den Menschen vom Ort der Wahrheit folgen, wie ein Geier in der libyschen Wüste einer verirrten Karawane folgt«, antwortete er scharf. »Ich gehe mit euch zum Opet-Fest nach Theben und ich werde mit euch wieder in euer Wüstendorf zurückkehren und dort so lange ausharren, bis ich den Mörder Kenherchepeschefs gefunden habe.«
»Niemand liebt den Geier«, entgegnete der Zweite Schreiber hochmütig.
»Es muss mich ja auch niemand von euch heiraten.«
Rechmire lachte kurz.
Sennodjem wischte sich mit der Rechten den Schweiß von der geröteten Stirn. Er roch stark nach Zwiebeln und saurem Bier. »Du hast den Frevler nicht gefunden, der Kenherchepeschef in Merenptahs Haus der Ewigkeit erdolchte«, keuchte er vor mühsam unterdrücktem Zorn. »Schlimmer noch: Du wirst ihn auch niemals finden. Am schlimmsten aber: Du selbst hast neue Gewalt und neue Zwietracht zum Ort der Wahrheit gebracht – jenem Ort, der der heiligste im ganzen Lande Kemet sein sollte.«
»Thot möge meinen Geist oder deine Sprache klären«, entgegnete Rechmire, »denn ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
»Du kannst dir deinen Hochmut sparen, junger Schreiber!«, fuhr der andere auf. »Du verstehst ganz genau, was ich meine: Du störst die Maat. Deine Fragen, deine unverschämte Neugier machen die Menschen nervös. Du mischst dich in Dinge ein, die dich nichts angehen. Du maßt dir Rechte an, die dir nicht zustehen. Du willst etwas von Geheimnissen erfahren, von denen niemand außerhalb von Set-Maat je etwas wissen darf. Du lenkst so viel Hass auf dich, dass irgendjemand bereit ist, die Heiligkeit des Ortes durch eine zweite Bluttat zu entweihen. Und das alles tust du, ohne dabei deinem eigentlichen Ziel auch nur einen Schritt näher gekommen zu sein.«
»Woher willst du das denn wissen?«, fragte Rechmire. Er bemühte sich, seiner Stimme einen überlegenen Klang zu geben, obwohl er sich alles andere als selbstsicher fühlte. Er konnte sich bereits denken, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde.
»Was wirst du dem Tschati melden, wenn er dich kommen lässt?«, entgegnete der Zweite Schreiber höhnisch. »Wirst du ihm einen Namen nennen? Wirst du ihm Beweise präsentieren können?«
»Ich werde ihm schon so viel von euren keineswegs immer so heiligen Geheimnissen vom Ort der Wahrheit berichten können, dass er mich weitermachen lässt. Mentuhotep wird mich sogar belohnen«, fügte Rechmire in festem Tonfall hinzu.
Sennodjem schnaubte wie ein gereiztes Flusspferd. »Deine Belohnung wird darin bestehen, dass dir Mentuhotep eine Nilfahrt spendiert – nach Nubien zu den Goldminen, wo du für den Rest deiner dann äußerst begrenzten Tage als Sklave Steine brechen musst! Wenn du klug bist, dann lässt du dich in Set-Maat nie wieder blicken. Du sagst dem Tschati, dass ich sehr viel besser wüsste als du, wie man den Mörder fängt, und bittest untertänig darum, wieder in seiner Schreibstube Papyri kopieren zu dürfen, was du zweifellos besser beherrscht als ich. Ich werde Mentuhotep in nicht ungebührlicher Zeit den Namen des Frevlers nennen. Dann wären alle zufrieden: Die Götter wissen, dass die Untat gerächt worden ist; der Tschati hat den Mörder Kenherchepeschefs; und dir passiert nichts.«
»Und du wärest der unumschränkte neue Herr vom Ort der Wahrheit«, vollendete Rechmire. »Ein bestechender Gedanke, so wahr mir Thot helfe. Nur was passiert, wenn ich nicht klug bin? Wenn ich, sagen wir einmal, dem Tschati erzähle, dass du einen unbrauchbaren Zweiten Schreiber und einen ganz und gar untauglichen Ersten Schreiber abgibst?«
Sennodjems Unterlippe zitterte so stark, dass ihm etwas Speichel über das Kinn rann. »Wenn du Krieg haben willst, junger Schreiber, dann kannst du ihn haben. Glaube nicht, dass du stark bist, nur weil du im Palast des Tschati dienst. Der Hohepriester Amuns ist der wahre Herr Thebens. Und ich kenne Mittel und Wege, um ihn auf meine Seite zu ziehen!«
Damit stand er auf und ging schwankend wieder nach vorn, wo seine Familie saß, während er die hilfreiche Hand eines eilfertig herbeigesprungenen Sklaven mit ärgerlicher Geste wegstieß.
Rechmire blickte ihm beunruhigt nach. Was hatte ein Zweiter Schreiber wie Sennodjem mit dem Hohepriester Amuns zu schaffen? Es gab viele Menschen im Lande Kemet, die Userhet für den
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