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Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Titel: Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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und sich zur Backbordvorschot begab. Er überzeugte sich davon, dass das Vorsegel flatterte. Nachdem sich der Bug durch den Wind gedreht hatte, kommandierte Moses: »Hol an die Vorschot!«, und ließ das Boot immer weiter abfallen, bis sie fast auf einem Vorwindkurs segelten. Sie waren die erste Besatzung, die Fahrt aufnahm und auf die Ziellinie zurauschte.
    »Wenn wir sie vor dem Startschuss überqueren, müssen wir das ganze Manöver noch einmal segeln«, sagte Otto und schaute nach achtern, wo die anderen Segler erst jetzt die Wendemanöver einleiteten.
    »Ich weiß«, sagte Moses, zog noch einmal seine Taschenuhr hervor und blickte auf das Ziffernblatt. »Ich hab im Geiste mitgezählt. Der Startschuss fällt in exakt zehn Sekunden.«
    »Dann kann ich nur hoffen«, erwiderte Otto, »dass der Wettkampfrichter es auch so genau nimmt.«
    Otto beobachtete, wie die Ziellinie näher kam. Noch zwanzig Meter, noch zehn, noch fünf, noch drei … Er hatte sich schon damit abgefunden, dass sie das Dampfboot umrunden und das Feld von hinten angreifen mussten, als der Wettkampfrichter mit Blick auf seine eigene Uhr die Hand hob und den Startschuss abfeuerte. Nur einen Moment später rauschten sie an ihm vorbei und führten nun das Feld mit mehreren Bootslängen Vorsprung an.
    »Großartig«, rief Otto und schaute zurück auf das Boot von Professor von Trittin. »Das hast du großartig gemacht.«
    »Das muss er erst mal aufholen«, sagte Moses, der vor lauter Anspannung einen krummen Rücken hatte. »Du hattest recht. Er beherrscht das Boot nicht, er probiert noch herum. Ich habe mehrere missglückte Manöver beobachtet. Ich denke, dass wir eine Chance haben.«
    Sie hielten auf eine Wendeboje zu, die vor der Villa Otzen lag, und umrundeten sie auf der Steuerbordseite. Während die nachfolgenden Boote um einen günstigen Kurs kämpften und die Vorfahrtregeln beachten mussten, befanden sie sich schon auf dem Weg in nordwestliche Richtung. Sie hatten nun halben Wind, der wieder etwas abgeflaut war, und Otto fierte die Schot durch die Hand, um die Segelstellung mit dem größten Zug zu haben.
    Jetzt zahlte sich aus, dass sie den Kurs mehrfach abgesegelt waren. Sie hatten alle Landmarken festgelegt, und Moses peilte eine nach der anderen an. So stellte er sicher, dass sie die kürzeste Wegstrecke nahmen. Bis sie den Havelstrom erreichten, gelang es ihnen, das Feld auf Distanz zu halten. Dann hatte ein Boot zu ihnen aufgeschlossen, in dem der Meistersegler Eberhard von der Reith an der Pinne saß.
    »Ich hab gehört«, rief der Studiosus der Physik herüber und beschirmte seine Augen gegen das Sonnenlicht, »dass Sie erst seit einer Woche segeln.«
    »Dafür jeden Tag«, erwiderte Moses.
    »Sie schlagen sich tapfer«, rief der Studiosus der Physik. »Meine Hochachtung!«
    Dann zog das Boot vorüber.
    Moses sah ihm nach und sagte zu Otto: »Ich versteh nicht, was er anders macht als wir. Auf der Kreuz sind unsere Schläge fast gleich lang. Bin ich zu dicht am Wind? Oder haben wir die Schoten zu dicht geknallt?«
    »Das ist eine gute Frage«, erwiderte Otto und verglich ihre Segelstellung mit der Segelstellung der anderen Boote, »aber ich fürchte, dass ich sie dir nicht beantworten kann. Außerdem machen wir doch gute Fahrt.«
    »Aber nicht gut genug«, sagte Moses und deutete nach Steuerbord, wo sie bei der Umrundung der kleinen Insel Kälberwerder gerade von Wilhelm Fritze überholt wurden, dessen Boot plötzlich und abrupt stoppte.
    »Er ist auf Grund gelaufen«, rief Moses. »Hol das Schwert auf, schnell!«
    Otto öffnete den Schwertkasten, drehte das Handrad und arretierte es mit einem Pflock. »Vor der Halse muss es wieder runter, sonst fehlt es uns an Stabilität.«
    Die Halse gelang ihnen lehrbuchmäßig, allerdings wohl nicht regattatauglich, denn zwei Boote rauschten auf der Backborseite an ihnen vorbei.
    »Was macht Trittin?«, fragte Moses.
    »Er hat aufgeholt, aber er scheint nicht zufrieden zu sein. Er hat einen hochroten Kopf, schreit seinen Vorschoter an und gestikuliert wild.«
    »Wie weit ist er entfernt?«
    »Vielleicht noch fünf oder sechs Bootslängen. Mehr nicht.«
    Nachdem sie das Flaggschiff umrundet und Sandwerder passiert hatten, waren sie bereits auf den siebten Rang zurückgefallen. Hinter ihnen befanden sich der auf Grund gelaufene Wilhelm Fritze, eine studentische Besatzung vom Akademischen Segelverein, die eine Flasche Rum dabeihatte und einen Shanty nach dem anderen sang, und Professor von Trittin,

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