Mord in Babelsberg
zu beantworten.« Sein Tonfall ließ die Hausmeisterin zurückweichen. Sie lehnte sich ans Spülbecken und nickte. »Ja. Sie wohnt im Nachbarhaus. Dritter Stock, Hofseite.«
»Kennen Sie sie näher?«
»Wie man sich eben so kennt. Sie ist mal zu mir gekommen, als der Abfluss im Spülbecken verstopft war. Hab einen Installateur gerufen. Wir haben uns auf dem Hof gegrüßt. Das Übliche eben.«
»Was können Sie mir sonst noch über sie sagen? Arbeitsstelle? Regelmäßige Besucher? Finanzielle Verhältnisse? Mit Nachbarn befreundet oder näher bekannt?«
Leo erkannte seine eigene Stimme nicht wieder.
Er zog einen Küchenstuhl heran, auf dem ein Kissen mit buntem Kirschenmuster lag, und setzte sich. »Frau Maletzke.« Er deutete auf den anderen Stuhl. Sie zögerte.
»Möchten Sie einen Kaffee?«
»Vielen Dank.«
Sie stand auf und goss Kaffee aus einer Porzellankanne ein. Dann stülpte sie den handgestrickten Kannenwärmer wieder über und stellte Tasse, Zucker und Milch auf den Tisch.
Leo ließ ihn schwarz und trank einen Schluck. Dann holte er sein Notizbuch hervor. »Hausmeister wissen gewöhnlich mehr als die übrigen Bewohner. Erzählen Sie mir bitte alles über Marlene Dornow, und zwar nicht nur die Tatsachen, sondern auch jedes Gerücht, das Sie über sie gehört haben.«
Frau Maletzke sah ihn misstrauisch an. »Ich verstehe nicht ganz …«
Leos Blick ließ sie verstummen. Dann seufzte sie. »Also gut. Wo sie arbeitet, weiß ich nicht. Sie geht meist abends weg. Ich habe sie nie regelmäßig morgens aus dem Haus gehen sehen, also kann sie nicht in einem Laden oder einem Büro arbeiten. Dafür ist sie auch zu …« Sie zögerte.
»Zu was?«
»Zu schick. Sie besitzt eine Pelzstola und elegante Hüte. Schöne Schuhe, immer passend zu Mantel oder Kleid und Handtasche. Und die Wohnungen hier sind nicht billig, das können Sie mir glauben.«
»Haben Sie je gehört, ob sie die Miete pünktlich zahlt?«
»Dafür bin ich nicht zuständig, Herr Kommissar«, erwiderte die Hausmeisterin.
»Aber Sie hören so einiges, oder?«
»Ich hatte immer den Eindruck, dass sie gut situiert ist. Wegen der Kleidung und so. Von Geldproblemen habe ich jedenfalls nichts mitbekommen.«
Leo erinnerte sich an Mantel, Handtasche und Schuhe, die farblich aufeinander abgestimmt waren. Dunkelblau zu silberblondem Haar. Er sah wieder die rotverklebten Haare und schloss flüchtig die Augen.
»Verstehe. Wie steht es mit regelmäßigen Besuchern?«
»Herren.«
»Herren?«
»Ich habe öfter gesehen, wie jemand sie nach Hause begleitete oder abholte. Einmal habe ich sie auch aus einem teuren Auto steigen sehen. Groß, schwarz, glänzend. Und vor einer Weile hat mich ein Herr nach ihrer Wohnung gefragt, er hatte Blumen dabei.«
»Würden Sie ihn wiedererkennen?«
»Nein, das war abends. Und er trug natürlich einen Hut. Tief ins Gesicht gezogen.«
»Sonst nichts?«
Sie schüttelte den Kopf. »Hier ist viel Betrieb. Manche Leute nehmen auch die Abkürzung über den Hof. Es ist nicht erwünscht, aber wer hält sich schon daran?«
»Seit wann wohnt Frau Dornow hier?«
Frau Maletzke stützte nachdenklich das Kinn auf die Hand. »Drei Jahre. Ja, etwa drei Jahre. Aber das kann Ihnen die Hausverwaltung ganz genau sagen.«
Er stand auf. »Danke. Man wird Ihnen die Aussage noch zur Unterschrift vorlegen.«
Sie vertrat ihm rasch den Weg. »Was ist denn nun passiert, Herr Kommissar?«
»Marlene Dornow wurde von Fräulein Bauer heute Morgen tot aufgefunden. Sie ist allem Anschein nach einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen.«
Am späten Nachmittag saßen Leo, Walther und Sonnenschein im Präsidium und gingen die bisherigen Ergebnisse der Befragung durch. Sie waren in einen größeren Raum umgezogen, da weitere Kollegen folgen würden, die noch in Kreuzberg mit Nachbarn und Anwohnern sprachen.
Leo hatte sein Jackett ausgezogen und die Ärmel aufgekrempelt. Er beugte sich über den Konferenztisch, auf dem alle bisherigen Informationen ausgebreitet waren: die Aussagen von Gitta Bauer, Oberwachtmeister Schmehl und der Hausmeisterin, dazu zweiundfünfzig Befragungsprotokolle von Hausbewohnern. Die Tote war zur Sektion in die Hannoversche Straße abtransportiert worden, Tasche und Kleidungsstücke würde der Erkennungsdienst untersuchen. Ebenso die Scherbe, die man in unmittelbarer Nähe der Leiche gefunden hatte.
Zum Glück hatte sich der Polizeifotograf mit dem Entwickeln beeilt und die Tatortaufnahmen vor wenigen Minuten
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