Mord in Babelsberg
lassen, außer von Herrn Hahn. Aber der war ja sein Kompagnon. Nein, der König hätte seiner Frau nie das Steuer überlassen. Weder in seinem schicken Auto noch bei seinem Film.«
Sie schlenderten an einer Kulisse entlang, in der anscheinend eine Salonkomödie gedreht wurde. Palmen, Korbmöbel, ein großer Käfig mit einem Papagei, gemalte Kulissen, die die Bogenfenster eines Wintergartens darstellen sollten. Ein Paar stritt heftig gestikulierend miteinander und bewegte sich fast tänzerisch auf und ab, während eine dicke Matrone mit einem Lorgnon im Hintergrund lauerte.
Der Regisseur, ein untersetzter Mann mit Schirmmütze, klatschte in die Hände und rief: »Schluss, so geht das nicht. Harry, du bist viel zu ernst, die Leute sollen im Kino lachen. Wir drehen hier nicht König Lear !«
Als sie in einer ruhigen Ecke standen, zog Leo ein Bild von Marlen aus der Tasche und zeigte es dem Atelierleiter. »Haben Sie diese Frau schon einmal gesehen?«
Friedländer betrachtete es und schüttelte den Kopf. »Nee, an die hätte ich mich erinnert.«
»Haben Sie den Namen Marlene Dornow schon einmal gehört?«
»Dornow? Sagt mir nichts. Aber Sie können gern in den Werkstätten herumfragen. Hier gibt es Leute, die eng mit König zusammengearbeitet haben. Vielleicht weiß einer von denen etwas. Ich muss wieder an die Arbeit. Falls Sie keine Fragen mehr haben, ansonsten wissen Sie ja, wo Sie mich finden. Schauen Sie sich ruhig alles an.«
»Vielen Dank, Herr Friedländer.«
Er nickte ihnen zu und verschwand in Richtung der Halle B. Als sie den Nebenraum betraten, konnte Sonnenschein einen Laut des Entzückens nicht unterdrücken.
Hier erinnerte alles an Tausendundeine Nacht . DrapierteTücher, die sich wie Segel wölbten, verbargen die Metallstreben des Glasdachs. Vergoldete Möbel, Orientteppiche, Kandelaber mit gewaltigen Kerzen, in der Mitte ein luxuriöses Ruhebett mit Löwenfüßen, auf dem eine wunderschöne Frau in einem durchsichtigen Gewand lag.
Leo sah aus dem Augenwinkel, wie Sonnenschein rote Ohren bekam.
»Sieht gut aus.«
»Hm, ja, sehr künstlerisch. Esther mag orientalische Märchen …«
Sie sahen einander an und lachten.
Als ihnen der Regisseur einen ungehaltenen Blick zuwarf, hob Leo zur Entschuldigung die Hand und sagte zu Sonnenschein: »Lassen Sie uns in die Werkstätten gehen.«
Herr Friedländer hatte dort schon Bescheid gesagt, so dass die Arbeiter bereitwillig ihre Fragen beantworteten – leider ohne weiterführende Ergebnisse. Viktor König war ein ausgezeichneter Fachmann gewesen, der seinen Willen durchsetzte, ohne rücksichtslos oder unhöflich zu sein. Der für besondere Leistungen oder Überstunden auch schon mal aus eigener Tasche bezahlte. Über sein Privatleben wusste niemand etwas, Marlene Dornow hatte keiner je gesehen.
Enttäuscht wollten Leo und Sonnenschein nach draußen gehen, als sie ein Flüstern hinter sich hörten.
»Sie, Herr Kommissar.«
Sie drehten sich um. Hinter ihnen stand ein junger Mann, den sie vorhin kurz befragt hatten.
»Was gibt es?«
»Können wir draußen reden?«
Sie gingen zu dritt zum Wagen, wobei der junge Mann zweimal einen Blick über die Schulter warf.
Neugierig lehnte sich Leo an die Beifahrertür und nickte ihm aufmunternd zu. »Was haben Sie uns zu sagen, Herr …«
»Richter. Gustav Richter, Herr Kommissar. Ich wollte dasnicht erzählen, mit den anderen da drinnen. Ist vielleicht auch gar nicht wichtig.«
»Das beurteilen wir«, sagte Leo freundlich, aber bestimmt.
»Ich bin erst seit einem Monat hier. Habe Herrn König nur mal kurz gesehen, der Film war schon abgedreht, als ich hier anfing. Aber ich kenne ihn vom Regina-Atelier in Weißensee.«
Leo sah ihn fragend an. »Ich dachte, er hätte immer hier gedreht.«
Der junge Mann nickte eifrig. »Das hat er auch. Es ist bekannt, dass alle König-Filme aus Johannisthal kommen. Er war aber mal im Regina und hat mit dem Chef geredet.«
»Haben Sie mitbekommen, worüber sie gesprochen haben?«
Richter schüttelte den Kopf. »Nein, die waren zu weit weg. Ich habe mich natürlich gewundert, einen so berühmten Regisseur da zu sehen. Ich hab die Kollegen gefragt, aber die wussten auch nicht, was er dort wollte.«
»Warum haben Sie sich gewundert? Es ist doch sicher nicht ungewöhnlich, wenn ein Regisseur mal ein fremdes Atelier aufsucht«, erkundigte sich Leo.
Der junge Mann errötete. »Na ja, ist nicht die beste Adresse. Ich war nur ein halbes Jahr da. Wollte schon früher weg,
Weitere Kostenlose Bücher