Mord in der Vogelkoje
unterwegs?«
»Aber ja. Ohne wäre der Abtransport nicht möglich gewesen.«
»Wie viele Pfähle sind es?«
»Dreiundzwanzig.«
Asmus hob resignierend die Hände. »Wir können uns nicht jede Scheune auf Sylt öffnen lassen. Das Diebesgut zu finden bleibt wohl dem Zufall überlassen.«
»Soll ich schon mal die Maße der Pfähle notieren?«, schlug Jep vor.
»Im Baulager befindet sich noch ein Stapel von identischen Hölzern.« Bauleiter Lorenzen drehte sich um und zeigte auf das eingezäunte Gelände.
»Ich nehme an, dass nachts abgeschlossen ist. Wurde denn das Schloss gewaltsam geöffnet oder der Zaun durchschnitten?«, erkundigte sich Asmus.
Lorenzen schüttelte sorgenvoll den Kopf. »Die Diebe hatten einen Schlüssel. Ich habe das Schloss sofort ausgewechselt.«
»Können Sie mir das alte Schloss mitgeben?«
»Natürlich.«
»Also ist es jemand, der hier arbeitet«, setzte Asmus seinen Gedankengang fort.
»Ja, aber keiner meiner Vormänner, die ich sofort befragt habe. Das sind zuverlässige Leute. Normalerweise hängen die vier Schlüssel am Schlüsselbrett in meiner Bude. So ganz pingelig sind wir mit ihnen allerdings nie gewesen. Die einheimischen Arbeiter, die abends nach Hause fahren, lassen den Schlüssel schon mal versehentlich in einer Jacke stecken. Wenn die am nächsten Tag gewaschen werden soll, ist der Schlüssel eben nicht hier … So besteht die Möglichkeit, dass einer fehlt. Bis ich den Diebstahl bemerkte, dachte ich, dass so etwas hier passiert ist. Ich habe nur drei Schlüssel zum alten Schloss.«
»Und einen Verdacht haben Sie auch nicht.«
»Nein, meine Arbeiter sind alle ehrlich …«
Asmus grinste.
»Abgesehen von einem einzigen …«, beeilte Lorenzen sich zuzugeben.
»Eben.«
Jep kam mit Block und Bleistift vom Baulager zurückgerannt. »Alles erledigt.«
»Dann fahren wir wieder«, sagte Asmus und gab Lorenzen die Hand. »Wir lassen von uns hören, wenn wir etwas erfahren haben. Und Sie melden sich, wenn Ihnen zum Diebstahl noch etwas einfällt.«
»Ja, aber ich glaube nicht. Mit der Menge von Diebesgutmüsste jeder zufrieden sein«, vermutete Lorenzen. »Verkaufen kann er es nicht, der Käufer würde Unrat wittern. Aufs Festland als Fracht mit der Fähre kann er es erst recht nicht verschicken. Bleibt also nur, es im Laufe der Jahre selbst zu verbauen. Warten Sie einen Augenblick, ich hole das Schloss.«
Ein Gedanke huschte während des Wartens so schnell durch Asmus’ Kopf, dass er ihn nicht festhalten konnte. Und danach wollte das Motorrad nicht starten, so dass ihn ganz andere Gedanken bewegten.
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* Der Tote am Hindenburgdamm
K APITEL 4
Da das Auffinden der Pfähle ohne jeglichen Hinweis praktisch aussichtslos war, wandte sich Asmus wieder der Untersuchung des Mordes zu. Als Erstes beschloss er, sich in der Eidumer Vogelkoje umzusehen, die noch in Betrieb war. Außerdem lag sie Westerland am nächsten, und die Fahrt würde seine Zeit am wenigsten in Anspruch nehmen.
Der Kojenmann Ingwert Feddersen wohnte, wie Asmus in Erfahrung brachte, am Süderende von Westerland in einem schmucken kleinen Häuschen und war zu Hause. Ihm schien es recht gut zu gehen. Mit fragendem Blick, aber freundlich, bat er den uniformierten Asmus in den Pesel auf den Besucherstuhl. Plötzlich malte sich Erschrecken in seinem Gesicht. »Ist meinen Kindern etwas passiert?«
»Nein, nein, ich bin nicht wegen der Kinder hier«, beeilte sich Asmus, ihm die Ängste zu nehmen. Der Mann, grauhaarig und ohne Arg in den blauen Augen, wirkte sehr umgänglich. Asmus entschloss sich spontan, Platt zu sprechen. Hier war keine Zurschaustellung von Polizeimacht angebracht,der Kojenmann würde ihn auslachen. »Ich brauche die Auskunft eines wirklichen Kenners von Vogelkojen, deshalb bin ich hier.«
»Ah, so.« Die Erleichterung war Feddersen anzusehen, und er rückte sich bequem zurecht. »Wir haben einen Gast!«, rief er nach nebenan, was offensichtlich der Hausfrau galt.
»Bin schon dabei«, antwortete eine Frauenstimme.
»Wie war der Fang in dieser Saison?«, tastete sich Asmus vor.
»Ich bin zufrieden. Allerdings waren in diesem Winter zweihundert Enten an einem Abend schon ein großer Fang. Als ich anfing, ging das mitunter in die Tausende pro Abend. Das ist aber schon dreißig Jahre her. Ich bin erst der zweite Kojenmann in Eidum.«
»Die Fänge nehmen also ab?«
»Über die Jahre gesehen, ja.«
»Gibt es jemanden, der untersucht, woher das kommt?«, erkundigte sich Asmus und
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