Mord in der Vogelkoje
erboster als zuvor. »Wir sind Sylter, und sie sollten verstehen, dass es auch für sie besser ist, wenn wir den Mörder finden!«
»In diesen Zeiten herrscht wenig Vertrauen zwischen den Menschen. Vielleicht ist der Mörder einer von ihnen. Und wir sind die Polizei aus Westerland. Die Obrigkeit …«
»Meinst du das?«
Als Hinzugezogener erkennt man schnell den Dünkel der Sylter, den Stolz darauf, anders zu sein, hätte Asmus am liebsten geantwortet. Aber er ließ es bleiben, es war völlig unnötig, einen geschätzten Kollegen vor den Kopf zu stoßen. »Ja. Lorns, sei doch so gut und klopf an die nächste Tür, um dich nach dem hiesigen Kojenmann zu erkundigen.«
»Sicher doch.« Matthiesen stieg vom Motorrad ab, sah sich um und suchte sich ein ordentlich gehaltenes Haus aus, dessen Reetdach instand gehalten wurde und das einen großen gepflegten Hausgarten besaß. Die Apfelbäume standen in voller Blüte, und ein allgemeines Summen wies auf Schwärme von Bienen hin.
Asmus’ Blicke folgten Lorns bis zur Doppeltür, deren obere Hälfte geöffnet und nach kurzem Wortwechsel mit Matthiesen nachdrücklich geschlossen wurde. Lorns machte auf den Hacken kehrt und kam verärgert zu Asmus zurück.
»Die Frau wusste angeblich den Namen des Kojenmanns nicht. Eine dicke Lüge, wenn du mich fragst. Das kann sie jemandem anderen weismachen. Was ist hier bloß los?« Matthiesen knurrte vor Zorn.
»Fragen wir also einen Mann, zum Beispiel den da«, beschloss Asmus und zeigte auf einen Bauern, dessen Ackerwagen gerade um eine Ecke bog.
Matthiesen rannte auf die Fahrbahn und gestikulierte mit den Armen. Der Mann parierte seine erschrockenen Pferde zum Stehen durch, bevor sie ihm durchgingen.
Erst nach geraumer Zeit trabten die Pferde wieder an. Lorns war trotz der Auskunft, die er erhalten hatte, unzufrieden. »Auch so ein Maulfauler. Ich musste mit Haft drohen, bis er geglaubt hat, dass er zur Auskunft verpflichtet ist. Nickels Petersen ist der Hauptinteressent, der sich um die Koje kümmert, der gewählte Buchführer also«, berichtete er vergrätzt. »Fahr mir nach. Ich habe mir sagen lassen, wo er wohnt.«
Asmus nickte. Während er Lorns folgte, fragte er sich, warum es so schwierig war, in Kampen Auskunft zu bekommen. Es warf einige Fragen auf.
Matthiesen fuhr zum Nordende des Dorfes, bog nach Osten ab und fuhr auf den Hofplatz eines stattlichen Bauernhauses, das beiderseits von Gebäuden flankiert wurde. Hier gab es keinen gepflegten Wall aus aufgesetzten Steinen, nur einen Staketenzaun, der den Obst- und Gemüsegarten eingrenzte. »Merkwürdig, wenn du mich fragst.« Er regte sich noch immer auf, nachdem Asmus neben ihm angehalten und den Motor ausgestellt hatte. »Warum mauern sie in diesem Dorf denn so? Wir bekommen ihre Geheimnisse doch heraus.«
»Das könntest du besser erklären als ich.«
»Nein, in diesem Fall nicht.«
»Es ist sehr auffällig«, pflichtete Asmus ihm bei.
Nickels Petersen, ein großer Mann mit dichtgelocktem graublondem Haar, erschien selbst in der Klöntür unter einem breiten neumodischen Backengiebel, wie sie auf Syltnicht sehr üblich waren. Er war nicht besonders entgegenkommend, fand Asmus sofort, denn er ließ sie in der Diele stehen. Als sie auf die Kampener Entenkoje zu sprechen kamen, wurde er ausgesprochen wortkarg. Mehr als ja und nein bekamen sie nicht zu hören, durften aber immerhin in der Dörns Platz nehmen, als er merkte, dass die Besucher hartnäckig beim Thema blieben.
»Der Zufall hat uns zu Ihnen gebracht«, erklärte Asmus. »Eigentlich wollten wir zuerst dem Kojenmann einen Besuch abstatten.«
»Ah so.«
»Ja. Da die Koje jetzt offiziell nicht mehr betrieben wird«, fuhr Asmus fort, »bestehen denn die Verträge der Interessengemeinschaft jetzt noch?«
Petersen bestätigte dies. »Allerdings nur die von vier Hauptinteressenten. Die Nebeninteressenten sind alle ausgeschieden«, fügte er hinzu.
»Sie könnten also den Fang mit allen Rechten und Pflichten jederzeit wieder aufnehmen?«
»Ja.«
»Haben Sie das vor?«
»Für jede Veränderung muss die Gesamtheit der Hauptinteressenten befragt werden«, antwortete Petersen ausweichend.
»Vielleicht fliegen ja Enten plötzlich wieder in alter Stärke ein«, bemerkte Matthiesen.
»Vielleicht.«
»Und den Kojenmann … Wie heißt er noch?«
»Dücke Eskeldsen.«
»War er erfolgreich?«
»Ja.«
»Gut. Dann würden Sie Dücke Eskeldsen erneut mit der Betreuung der Koje beauftragen, wenn es
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