Mord in der Vogelkoje
nicht.«
»Bestens. Ich freue mich darauf.« Matthiesen verließ eilends den Raum.
Ja, er wäre selbst gern mitgesegelt, dachte Asmus, während er auf Matthiesens Rückkehr wartete. Aber er hatte das Gefühl, dass nicht beliebig viel Zeit zur Verfügung stand.Hank Christensen wirkte wie ein Mann der Tat. Sollte er tatsächlich etwas mit der Entenkoje zu tun haben, musste die Schlinge so schnell wie möglich zugezogen werden. Zumal man ihn ja nicht daran hindern konnte, abzureisen, solange alles nur ein vager Verdacht war. Das Einzige, was gegen Hank als neuen Hauptinteressenten sprach, war, dass Petersen möglicherweise wegen der Koje auf dem Festland unterwegs gewesen war.
»Ich fahre dann sofort los«, teilte Matthiesen Asmus mit, als er zurück war. »Nach dem Tidenkalender setzt bald Ebbe ein, und dann wäre der richtige Zeitpunkt, auszulaufen, sofern Bahnsen so überstürzt loskommen kann. Oder irre ich mich?«
Asmus grinste. »Das ist der richtige Zeitpunkt. Wir machen dich noch zum Seefahrer.«
»Kein Gedanke daran. Ich esse lieber Kartoffeln als Fisch. Die und frisch gelegte Eier hole ich auf dem Weg nach Munkmarsch noch von zu Hause ab. Ich will nicht der bloße Bittsteller sein.«
»Grüß von mir.«
Nachmittags kam Borg Godbersen vorbei. Er machte eine so niedergeschlagene und besorgte Miene, dass Asmus erschrak. »Ist Ose etwas passiert? Gestern war sie doch noch putzmunter!«
Borg lächelte flüchtig. »Ich weiß. Kannst du mit mir hinauskommen? Ich muss mit dir unter vier Augen reden.«
»Ja doch, sicher.« Asmus nahm verwundert seine Jacke aus dem Schrank und folgte Godbersen.
»Lass uns ein Stück gehen. Ich kann über das, was ich zu erzählen habe, nicht in der Wache sprechen. Kein Arzt ist befugt, Diagnosen oder Feststellungen über Kranke an jemanden weiterzugeben, der nicht zur engsten Familie gehört.«
»Ich weiß.« Wind war aufgekommen und fegte um die Ecke des Backsteingebäudes, wobei er Blätter und Schmutz vor sich hertrieb. Die Franziska mit Bahnsen und Matthiesen würde auf dem Rückweg gute Fahrt machen, dachte Asmus, während er darauf wartete, dass Borg die richtigen Worte fand.
»Wir haben einen Patienten, der vor einer Woche eingeliefert wurde. Mit ganz seltenen Symptomen, ich kenne sie nur aus der Literatur. Gebracht wurde er zu uns von einem Freund, weil dem Kranken beängstigend übel war und er sogar etwas benommen wirkte. Während mein Kollege, ein Internist, sich dieses Mannes annahm, verschwand unbemerkt der Freund. Der Patient bekam, kaum dass er im Bett lag, eine Lähmung der Augenlider und konnte nicht mehr sprechen. Es war unmöglich, ihn näher zu befragen, wir haben bis heute nicht einmal seinen Namen. Die Krankenschwester, die ihn aufnahm, erinnert sich nur, dass der Freund mit fremdländischem, sagen wir, ungewohntem Beiklang Deutsch sprach.«
Fremdländisch, das ließ Asmus aufhorchen, aber er nickte nur.
»Inzwischen ist der Mann bewusstlos und teilweise gelähmt. Der Kollege holte mich. Gemeinsam kommen wir zum Schluss, dass es die Vergiftung sein könnte, die früher häufig durch Blutwurst entstand, durch Wurstgift eben. Aber auch andere Fleischarten sind betroffen, das ist mittlerweile in der Fachwelt bekannt. Wissenschaftler nennen den Auslöser Botulinumtoxin. Die Ursache ist ein Bazillus.«
Asmus wusste immer noch nicht, warum Borg ihm das erzählte.
»Der Patient und sein Freund sahen etwas verwildert aus. Als hätten sie mehrere Tage im Freien gelebt oder wären mit einem Boot unterwegs gewesen. Da kamen mir Oses Schilderungenvon euren merkwürdigen Erlebnissen in der Vogelkoje und dem Biwak in den Sinn. Zuzüglich dieses Mannes, den ich obduziert habe. Ich wollte es dir nur erzählen für den Fall, dass du damit etwas anfangen kannst. Vielleicht haben diese beiden etwas mit dem Erschossenen zu tun.«
»Ja, das ist gar nicht so abwegig«, bemerkte Asmus bedächtig. »Könnte man sich die Wurstvergiftung auch durch eine Dose mit Entenfleisch zuziehen?«
»Wahrscheinlich. Es gibt ärztlicherseits Vermutungen über mögliche Gefahren durch Dosennahrung, aus den Staaten sogar den konkreten Verdacht.«
»Kann man den Patienten noch befragen?«
»Ausgeschlossen«, sagte Borg.
»Dann werde ich versuchen, den zweiten Mann zu finden«, erklärte Asmus.
»Vermutlich ist er abgereist. Er hat ja alles dafür getan, dass sie beide anonym blieben.«
»Stimmt. Irgendjemand kann mir aber vielleicht einen Hinweis geben. Jedenfalls danke ich
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