Mord in der Vogelkoje
dir.«
Am nächsten Tag telefonierte Asmus wegen einer Baugenehmigung für die Kampener Fabrik mit Schleswig, wo die preußischen Ministerien und verschiedene Behörden residierten. Immerhin hatte die Baubehörde mehrere Fernsprecher. Man holte einen Sachbearbeiter nach dem anderen an den Apparat. Aber eine Genehmigung ließ sich nicht auffinden. Das Bauvorhaben war unbekannt.
»Wissen Sie was!«, brüllte schließlich ein sehr ungeduldiger Abteilungsleiter in den Hörer. »Es gibt keine Genehmigung. Also kümmern Sie sich gefälligst an Ort und Stelle mal darum!«
Das brauchte man Asmus nicht zweimal zu sagen. Mit diesem Rückenwind des Innenministeriums besaß er jedeVollmacht, die er brauchte, um die Leute auf Herz und Nieren zu überprüfen.
Asmus überlegte, ob er Jep mitnehmen sollte, dann erfuhr er, dass dieser einem Pferdediebstahl nachgehen sollte, und ließ es bleiben. Die Diebstähle nahmen in diesen schlechten Zeiten wirklich zu. Er fuhr allein nach Kampen.
Zwischen den wenigen Häusern in der Nähe der Fabrik wuchs Heide, gelegentlich gab es eine Hecke aus Dünenrosen, Schafe tauchten in umzäuntem Gelände auf, und in einiger Entfernung sah Asmus auf der Höhe der Düne einige wenige stattliche Kiefern. Seitdem er durch Ose die Schönheit dieser Landschaft zu begreifen gelernt hatte, konnte er sie richtig würdigen. Er hatte keinen Zweifel daran, dass dem Bau des Fabrikgebäudes andere Bauten folgen würden. Die Heide würde verschwinden, die Schafe auch, stattdessen würden hier Berliner Künstler wohnen, womöglich in imitierten Schwarzwaldhäusern, wie es schon eines in Kampen gab.
Der First des Fabrikgebäudes war inzwischen fertig gelegt. Lars war nicht in Sicht, hingegen die beiden Bauarbeiter, die auch gegenwärtig Steine und Balken schleppten. Asmus rief ihnen zu, sie möchten ihm das Tor öffnen, aber sie reagierten nicht. Schließlich schlenderte der Wächter, den Asmus bereits kennengelernt hatte, um die Hausecke. Bei geschlossenem Tor ließ er sich erklären, worum es ging, und öffnete es für Asmus endlich widerwillig. Die Flinte hatte er nicht mit.
Ein von Karrenspuren ausgefahrener Weg führte durch das Gestrüpp zum Haupthaus, auf das Asmus langsam zuging. Der Wächter folgte ihm notgedrungen. Auf einem Seitenpfad rumpelte einer der Arbeiter mit einer mit Ziegelsteinen hochbeladenen Schiebkarre herbei. Sein Blick war starr auf den unebenen Weg gerichtet und hob sich auchnicht, als Asmus höflich grüßte. Er hatte den Mann noch nie gesehen.
Er ließ Mann und Schiebkarre passieren. Die oberste Lage Steine kam ins Rutschen.
Asmus bückte sich spontan, um beim Aufladen zu helfen. »Schwierig, wenn’s so uneben ist, stimmt’s?« Er bekam keine Antwort, der Arbeiter spähte nur kurz zum Wächter hoch. Da Asmus seinem Blick folgte, sah er, wie Dres mit zusammengekniffenen Lippen und gefurchter Stirn kurz den Kopf schüttelte. »Was bauen Sie denn hier Prachtvolles? Eine neue Siedlung für Künstler?«, fragte Asmus, ohne sich anmerken zu lassen, dass er die Mimik als Warnung gedeutet hatte. Wovor?
Der stumme Mann knurrte erbost, packte die Handgriffe und hob an. Asmus trat zurück und wäre fast in einen Haufen Austernschalen gefallen, die unter seinen Stiefeln fortrutschten. Interessiert blickte er nach unten und ließ den Blick über das Gelände wandern, wo er noch mehr Austernschalen sah. Die gaben seiner Vermutung in Richtung Austerndosenfabrik durchaus wieder Nahrung.
Der Arbeiter schwankte zum Nebengebäude, und Asmus, der ihm folgte, sah durch eine schmale Lücke zwischen Haupt- und Nebengebäude den Dachdecker, der auf einem hölzernen Gerät Reetbunde in Form brachte und die Enden glattschnitt. Hinter ihm stapelten sich die noch unbearbeiteten Reetvorräte. Offensichtlich war ein weiteres Gebäude geplant.
Asmus wandte sich an den Wächter. »Können Sie mir die Gebäude zeigen?«
»Das darf ich nicht. Und es ist kein Verantwortlicher hier«, beteuerte der Mann.
»Mir egal. Wir haben aus Schleswig Anweisung erhalten, mit dem Besitzer der Anlage zu sprechen. Sagen Sie mir, wie ich mit ihm Kontakt aufnehmen kann.«
»Das weiß ich selber nicht«, antwortete der Wächter voller Unbehagen. »Ich kenne ihn nicht. Ich kann Sie nur an Nickels Petersen verweisen. Er ist so etwas wie ein Mittelsmann, wenn der Besitzer auf Reisen ist. Er wohnt …«
»Danke, ich weiß, wo er zu finden ist. Ich komme wieder, Herr …«
Während Asmus sein Motorrad startete, blieb der
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