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Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Titel: Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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dass Charlotte seine Besorgnis spürte. Ihr stand ebenso deutlich wie ihm vor Augen, dass er auf keinen Fall wieder in untergeordneter Stellung im Staatsschutz würde arbeiten können, falls er versagte, und eine andere Möglichkeit würde es für ihn nicht geben. Anders als Narraway oder Radley verfügte er über kein persönliches Vermögen.
    »Nein, das nicht«, sagte Charlotte und sah ihn fest an. »Aber mir gefällt es hier, und ich bin noch nicht bereit, das Haus zu verlassen – wenn ich es überhaupt je sein werde. Wir haben hier viel Gutes und Schlimmes miteinander erlebt. Du weißt wie ich, dass es eine Zeit lang gar nicht gut ausgesehen hat. Narraway, Tante Vespasia und Gracie haben mit uns ganze Nächte in der Küche gesessen und einige verzweifelte Kämpfe ausgefochten.« Sie schüttelte leicht den Kopf, ohne auf ihre Näharbeit zu achten. »Ein anderes Haus würde im Vergleich zu diesem leer wirken. Natürlich wird es weitergehen, aber noch bin ich nicht gewillt, die Vergangenheit hinter mir zu lassen. Du etwa?«
    »Nein, vielleicht auch nicht.« Er lächelte und spürte, wie ein Gefühl der Wärme in ihm aufstieg. »Jedes Mal, wenn ich durch den Flur zur Küche gehe, sehe ich vor mir, wie sich Gracie auf die Zehenspitzen stellt und trotzdem nicht ganz an die obersten Teller im Tellerschrank herankommt. Ich habe mich noch nicht vollständig daran gewöhnt, die um eine gute Handbreit größere Minnie Maude dort zu sehen. Aber sie ist ein braves Mädchen, und sicher bist du mit ihr zufrieden.«
    »Unbedingt, auch wenn ich Gracie stets vermissen werde«, sagte sie mit Entschiedenheit. »Daniel und Jemima mögen Minnie Maude sehr, und das ist beinahe genauso wichtig.« Dann runzelte sie die Stirn, weil sie den Eindruck hatte, dass etwas nicht stimmte. Sie war nicht sicher, ob er nicht mit ihr darüber sprach, weil es vertraulich war, oder ob er ihr lediglich nicht den Abend verderben wollte. Sie konnte ihn nicht danach fragen, erkannte aber die Anspannung in ihm ebenso deutlich, als wenn er etwas gesagt hätte.
    Pitt traf eine Entscheidung.
    »Ich habe heute mit Jack gesprochen«, sagte er.
    Sie sah ihn an und erkannte die widerstreitenden Empfindungen auf seinem Gesicht.
    »Ich musste etwas mit Tregarron klären oder es zumindest versuchen«, fuhr er fort. »Er hat Jack vorgeschickt, damit ich ihm meine Bedenken mitteilte, und der hat mir Tregarrons Antwort übermittelt.«
    »Ach ja, Jacks Aufstieg«, sagte sie und kniff die Lippen einen Moment zusammen. »Ich glaube, Emily ist stolzer darauf als er selbst.«
    »Hat sie ihn dazu gedrängt?«, fragte er.
    »Möglich.« Ein Schatten legte sich auf ihre Züge. »Hat er sich überheblich verhalten?«
    Er entspannte sich und setzte sich endlich bequem hin. »Eigentlich nicht. Ich habe mich aber geärgert, weil ich sicher war, dass Tregarron einen Narraway nicht auf diese Weise abgefertigt hätte. Vermutlich war ich mit zu wenigen Informationen hingegangen. Tregarron ist der Ansicht, dass es keinen Grund zur Sorge gibt, und vielleicht hat er damit ja auch recht. Ich muss noch sehr viel mehr in Erfahrung bringen. Ich hätte noch eine Weile abwarten sollen. Narraway hätte das getan.«
    »Erwartest du, in deinem ersten Jahr in dieser Position so gut zu sein, wie er nach zwanzig war?«, fragte sie mit gehobenen Brauen.
    »Das muss ich«, gab er ruhig zurück. »Oder zumindest in etwa.«
    »Auch er hatte nicht mit allem recht und musste gelegentlich Misserfolge einstecken, Thomas.«
    »Ich weiß.« Allerdings verringerte dies Wissen weder seine Besorgnis noch das Bewusstsein dessen, was ihn ein Versagen kosten würde.
    Als Charlotte am nächsten Morgen um neun Uhr das Haus verließ, fühlte sie sich in ihrem neuen Reitkostüm ein wenig verlegen. Sie sah darin ausgesprochen elegant aus, was sie mit Freude erfüllte, doch war es lange her, dass sie zuletzt etwas so Vorteilhaftes und zugleich Flottes getragen hatte. Das Einkommen ihres Mannes war für lebensnotwendige Dinge vorgesehen, und als lebensnotwendig konnte man dieses herrliche Kostüm wahrhaftig nicht ansehen, wenn man Kinder hatte, die jeweils nach wenigen Monaten wieder aus allem herauszuwachsen schienen.
    Eine Woche zuvor hatte sie mit ihrer Schwester Emily verabredet, sich mit ihr am Reitweg Rotten Row im Hyde Park zu treffen, um eine oder zwei Stunden zu reiten. Daher strebte sie jetzt mit raschen Schritten dem Russell Square entgegen, überzeugt, dort eine Droschke zu finden. Obwohl der Wind

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