Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)
Gegenverschwörungen, die allerdings bisher stets ohne Ergebnis geblieben sind. Aber darum geht es Ihnen gar nicht, oder? Ist man im Außenministerium etwa der Ansicht, dass die Kroaten wieder mal Ärger machen wollen?«
»Nicht, dass ich wüsste«, sagte Narraway wahrheitsgemäß.
»Was das betrifft, ist Evan Blantyre Ihr Mann«, teilte ihm Herbert mit. »Er kennt die Kroaten besser als jeder andere. Hat eine ganze Weile im Lande gelebt und ist mit einer Kroatin verheiratet. Eine schöne Frau, aber labil, wie ich gehört habe. Von schwächlicher Gesundheit, neigt zu allen möglichen Krankheiten. Kein Wunder, wo die Familie in Aufstände und dergleichen verwickelt war.«
Narraway lehnte sich zurück. »Ich werde ihn fragen, wenn sich die Dinge in diese Richtung entwickeln sollten. Und was ist mit den Italienern? Immerhin haben die einige ihrer Städte im Norden noch nicht zurückbekommen, unter anderem Triest und das Umland.«
Herbert überlegte einen Augenblick. »Wenn es sich dabei um italienische Nationalisten handeln sollte«, sagte er nachdenklich, »könnte es tatsächlich Ärger geben. Trotz Cavour, Garibaldi und der ganzen Geschichte mit der Einigung des Landes ist das ein ziemlich chaotischer Haufen. Gehen immer noch aufeinander los wie die Besenbinder. Eigentlich sollte man annehmen, dass sie sich mittlerweile ein bisschen beruhigt hätten.«
»Kann sein«, sagte Narraway in zweifelndem Ton. »Können Sie sich an eine Italienerin namens Montserrat erinnern?« Er sah Herbert aufmerksam an, um sich keine von dessen Reaktionen entgehen zu lassen.
Dieser lächelte belustigt, und seine Augen leuchteten auf. »Na so was, Serafina«, sagte er seufzend. »Wieso fragen Sie ausgerechnet nach ihr? Sie muss ja inzwischen deutlich betagt sein, wenn sie überhaupt noch lebt. Ich kann mich aus der Zeit an sie erinnern, als sie so in den Vierzigern war. Sie ist damals besser geritten als jeder Mann, den ich kannte, und hat mit dem Säbel gefochten wie ein Kerl. Ich konnte das selbst nicht schlecht, war aber nicht annähernd so gut wie sie und habe es auch gar nicht erst versucht, um mich nicht lächerlich zu machen.«
»Italienische Nationalistin«, sagte Narraway mehr im Ton einer Antwort als einer Frage.
»O ja.« Herbert lächelte nach wie vor. »Und jederzeit bereit, jemanden zu unterstützen, der gegen Österreich war, ganz gleich, woher er kam.«
»Offen?«, fragte Narraway.
Herbert machte ein entsetztes Gesicht. »Gott im Himmel, nein! Hinterhältig wie ein Priester und so verschlagen wie ein Jesuit.«
»Das klingt ja richtig fromm.«
Herbert lachte. Es war ein glückliches Lachen, als wäre er noch der junge Mann von einst. »Das Leben keiner Frau konnte weiter von dem einer Nonne entfernt sein als ihres. Allerdings habe ich damals das meiste über sie noch gar nicht gewusst.«
»Auf welche Weise haben Sie es denn erfahren?«, fragte Narraway. »Und, was für mich vielleicht noch wichtiger ist, wann und von wem?«
»Von vielen Leuten und im Laufe mehrerer Jahre«, gab Herbert zurück. »Sie ist immer mit außergewöhnlicher Umsicht vorgegangen.«
»So klang das zunächst aber nicht«, hielt Narraway dagegen.
Erneut lachte Herbert, doch endete sein Gelächter diesmal in einem Hustenanfall. »Manchmal sind Sie nicht annähernd so scharfsinnig, wie Sie glauben, Narraway«, sagte er nach einer Weile, während er immer noch nach Luft schnappte. »Sie hätten sich mehr mit Frauen beschäftigen sollen. Ein bisschen Zügellosigkeit hätte Sie eine Menge gelehrt, nicht nur über Frauen ganz allgemein, sondern auch über Sie selbst und damit über die meisten Männer.« Seine Augen verengten sich. »Zu viel Hirn und zu wenig Herz, das ist Ihr Problem. Insgeheim halte ich Sie für einen Idealisten. Ihnen geht es nicht um das Vergnügen, sondern um die Liebe! Großer Gott, Sie sind ein völliger Anachronismus!«
»Serafina Montserrat«, erinnerte ihn Narraway mit einer gewissen Schärfe in der Stimme. »Was war sie denn nun – eine wilde Kämpfernatur, die mit Männern zusammen geritten ist und mit vielen von ihnen geschlafen hat, oder eine umsichtige Verschwörerin? Ich bin nicht etwa gekommen, weil ich nichts anderes zu tun hätte und deshalb meine Nase in die Angelegenheiten anderer Leute stecke, sondern weil das wichtig sein könnte.«
»Natürlich brauchen Sie so was«, gab Herbert nach wie vor lächelnd zurück. »Das geht uns doch allen so. Ich wäre längst vor Langeweile gestorben, wenn ich nicht in
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