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Mord in h-moll

Mord in h-moll

Titel: Mord in h-moll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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Ich versuchte auszurechnen, wie lange ich bleiben konnte und stellte fest, daß ich es bei äußerster Sparsamkeit etwa vier Tage aushalten konnte. Allerdings mußte ich mich dann nach Möglichkeit selber verpflegen.
    Plötzlich hatte ich das Gefühl, als starre mich jemand an. Ich blickte von meinem Buch auf und sah draußen auf dem Gang einen Mann stehen, der in mein Abteil hereinschaute. Er war groß, trug einen grauen sportlichen Anzug, und seine hellgrauen Augen waren auf mich gerichtet. Sein Kopf war schmal, das Gesicht gut geschnitten und gebräunt. Seine graumelierten Haare ließen darauf schließen, daß er die vierzig schon überschritten haben mußte.
    Er wandte sich ab und ging langsam weiter. War er das?
    Ich zog in Gedanken einen Vergleich zwischen ihm und mir. Und plötzlich war es mir, als könnte ich Hilda verstehen. Hatte sie vielleicht auch in ihrem Herzen eine Sehnsucht getragen, eine Sehnsucht, die ich ihr niemals erfüllen konnte? Und hatte sie die Erfüllung tatsächlich in Davos an der Seite dieses eleganten Mannes gefunden?
    Ich schloß die Augen und dachte konzentriert an diesen Mann, versuchte mir seine Züge einzuprägen. Eigentlich... nein, ich mußte mich geirrt haben. So sah kein lumpiger Erpresser aus.
    Dieser Mann machte nicht den Eindruck, als sei er auf erpresste fünftausend Mark angewiesen.
    Als ich aber etwa eine Stunde später den gleichen Mann wieder vorbeigehen sah, und wieder einen raschen Blick von ihm in mein Abteil auf fing, wurde mir doch unbehaglich zumute.
    Als der Mann im grauen Anzug zum dritten Mal vorbeiging und kurz hereinschaute, entdeckte ich auf seiner linken Wange einen Schmiß, wie man ihn bei älteren Akademikern häufig findet. Ich beschloß, meine Reise zu unterbrechen, um diesen Mann loszuwerden. Ich war nun fest davon überzeugt, daß ich von ihm verfolgt wurde.
    Der graue Himmel wurde heller, je näher wir dem Bodensee kamen. Vereinzelt rissen die Wolken auseinander und ließen blauen Himmel durchblicken.
    Der Zugführer ging draußen vorbei. Ich sprang auf, um ihn zu fragen, wo ich meine Reise am günstigsten unterbrechen konnte. An der Abteiltür blieb ich aber stehen.
    Der Mann in Grau würde beobachten, daß ich mit dem Zugführer sprach. Das würde nicht nötig sein, wenn ich bis zum Endziel fuhr, nach Davos. Also würde meine Unterhaltung bedeuten, daß ich meine Absicht geändert haben konnte, und die Folge davon würde sein, daß mich der Unbekannte erst recht keine Minute aus den Augen ließ.
    Das Gegenteil mußte ich tun. Ich mußte mir den Anschein geben, als sei ich völlig harmlos und würde glatt nach Davos durchfahren.
    Meine innere Spannung wuchs. Nun kannte ich ihn also, wenigstens vom Sehen, und vielleicht war er sich auch schon im klaren darüber, daß ich ihn entdeckt hatte. Ja, jetzt schien es mir sogar, als habe er genau das mit seinem auffälligen Benehmen beabsichtigt. Warum aber?
    Wollte er sich schon hier im Zug mit mir verständigen? Wollte er mir seinen Vorschlag unterbreiten? Oder würde er sich erst in Davos an mich wenden, sozusagen auf neutralem Boden?
    Oder sollte ich jetzt aktiv werden? Sollte ich auf dem Gang auf ihn warten, ihn ansprechen, vielleicht unter irgendeinem unverfänglichen Vorwand?
    Nein, ich mußte passiv bleiben. Wenn ich ihn ansprach, hatte er die Chance, mir einen falschen Namen zu nennen, und schließlich würde ich über ihn genauso wenig wissen wie jetzt. Ich würde nur wissen, wie er aussieht, und das half mir nicht viel. Also beschloß ich, mich ihm zu entziehen.
    Als der Zug in Bregenz einlief, strahlte die Sonne, und der See leuchtete in tiefem Blau. Möglichst unauffällig nahm ich Hut und Mantel, im letzten Augenblick noch meinen kleinen Koffer, und als sich die Räder bereits zu drehen begannen, sprang ich ab. Die Bahnhofsuhr zeigte fünfzehn Uhr.
    Einige Männer und Frauen strebten gleich mir zur Sperre. Der graue Unbekannte mit dem Schmiß auf der Wange war nicht dabei. Ich hatte ihn abgeschüttelt!
    Anderthalb Stunden mußte ich in Bregenz warten, ehe ich weiterfahren konnte. Und als ich endlich wieder im Zug saß, wußte ich, daß man mich nicht mehr verfolgte. Zur Sicherheit ging ich durch den ganzen Zug, aber der graue Mann war nirgends zu sehen.
    In St. Margarethen mußte ich nochmals umsteigen. Eine ältere Dame setzte sich mir gegenüber. Sie hatte weiße Haare, ein kleines Gesicht mit tausend Runzeln und die spitze Nase zeigte winzige rote Äderchen. Ihre kleinen, flinken Augen

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