Mord in h-moll
Hilda, war das etwas anderes. Es ging alles so blitzschnell, das Wasser hatte sie eigentlich getötet, nicht ich.
Erschießen, erwürgen, vergiften, — es kam alles nicht in Frage.
Ich trank ein paar Schlucke aus der Flasche, und siehe da, auf einen Schlag wurden meine trüben Gedanken lichter. Es war ja alles viel einfacher, als ich es mir vorstellte.
Der Fall lag doch so: er, Dr. Mertens, besaß das Tonband, aber er hatte es nicht hier bei sich. Deshalb konnte er es mir auch, gleichgültig welche Vereinbarungen wir treffen würden, hier nicht aushändigen. Und er brauchte das auch gar nicht, denn schließlich besaß ich ja auch das Geld nicht, das er haben wollte. Er wußte ja, daß ich auf die Auszahlung der Versicherung warten mußte.
Folglich konnten wir zunächst nur eine bestimmte Vereinbarung treffen, mehr nicht. Und solange die Versicherung nicht bezahlt hatte, solange war mein Tonband bei ihm in Sicherheit, solange würde er sich hüten, es der Polizei zu übergeben.
Wir konnten zusammen nach München zurückfahren, wie zwei Geschäftsfreunde, die nach hartem Kampf doch noch einen Abschluß unter Dach und Fach gebracht hatten.
Ich stellte die Flasche weg. Viel hatte ich nicht getrunken, aber ich bin Alkohol nicht gewöhnt, und ich wollte unter allen Umständen einen klaren Kopf behalten.
Er kam kurz vor dreiundzwanzig Uhr.
Es klopfte an meine Tür, ich öffnete, und er stand vor mir. Genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte.
»Bitte«, sagte ich. »Bitte, Herr Doktor Mertens, treten Sie ein. Bitte nehmen Sie Platz. Einen Schluck Kognak? Wir wollen uns doch schließlich über ein Geschäft unterhalten, das uns beiden Vorteile bringen soll.«
Er schob mich beiseite. Seine schwarzen Augen hatten einen seltsam glasigen Blick, und als er sprach, roch ich Alkohol. Also hatte auch er getrunken. Womöglich war ihm auch nicht ganz wohl in seiner Haut?
»Quatschen Sie nicht«, sagte er. »Wir sind in wenigen Minuten miteinander fertig. Für immer.«
Er trat zum Tisch. Seine rechte Hand zitterte, als er damit in seine innere Jackentasche griff. Halt, dachte ich, jetzt zieht er einen Revolver heraus...
Er brachte weißes Papier zum Vorschein, Briefbogen, wie mir schien. Einen davon hielt er mir unter die Nase
»Da, lesen Sie, Roeder.«
Ich nahm den Briefbogen mit dem Briefkopf des Hotels »Terminus« und las.
Schuldschein
Hiermit bestätige ich, von Herrn Carl Weynert DM 10000, — (zehntausend Mark) leihweise erhalten zu haben. Die Rückzahlung erfolgt nach Vereinbarung, Zinsen in Höhe von 6%(sechs Prozent) sind vom heutigen Tage an bis zur Rückzahlung in voller Höhe fällig.
So also lief der Hase!
Ich ließ den Briefbogen sinken und sagte gleichgültig:
»Was soll das? Was versprechen Sie sich davon?«
»Sehr viel. Unterschreiben Sie.«
»Und wenn ich es nicht tue?«
»Dann zähle ich bis drei. Bei drei gehe ich. Und zwar zur Post. Dann hat die Kripo spätestens übermorgen Ihr Tonband mit einem entsprechenden Brief.«
»Gut«, sagte ich. »Dann unterschreibe ich eben. Aber was nützt Ihnen das? Ich weiß ja, daß ich zahlen muß, um mein Band von Ihnen zu bekommen. Wollen wir uns nicht doch erst noch darüber unterhalten. Sehen Sie, ich bin ja bereit, auf siebentausend zu verzichten. Aber dreitau...«
»Nicht eine Mark«, unterbrach er mich. »Sie haben den Sinn meines Unternehmens noch nicht kapiert. Schwer von Begriff, nicht wahr?« Er schaute sich langsam in meinem Zimmer um, nickte beifällig und fuhr fort: »Eignet sich ausgezeichnet für meine Zwecke. Besser hätten Sie es gar nicht aussuchen können. Der untere Stock ist doch völlig unbewohnt, nicht wahr?«
»Ja, aber...«
»Wie ich schon einmal feststellte: Sie sind eine Niete, Roeder. In solchen Fällen setzt man sich mitten unter Menschen, aber man isoliert sich nicht.«
Er hielt mir den zweiten Briefbogen unter die Nase.
Auch dieser zeigte den gedruckten Briefkopf des Hotels »Terminus«, aber nun fiel mir das Datum auf. Es war die Zeit, in der Hilda hier in Davos gelebt hatte.
»Lesen Sie«, hörte ich ihn sagen.
Ich las.
Vereinbarung
Zwischen Herrn Carl Weynert und Herrn Stefan Roeder wird heute folgende Vereinbarung getroffen:
Herr Roeder erhält von Herrn Weynert ein Darlehen in Höhe von DM 10 000,—(zehntausend Mark), worüber ein Schuldschein existiert. Zur Sicherung übereignet Herr Roeder an Herrn Weynert die Lebensversicherung seiner Frau in Höhe von DM 10 000,— (zehntausend).
»Aha«, sagte ich.
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