Mord in h-moll
bloß.«
»Mensch, halt ja die Schnauze, wenn sie dich fragen. Nur nicht quatschen. Immer nur zugeben, was man dir bewiesen hat.«
»Ja, das dachte ich auch. Aber ich habe doch wirklich nichts getan.«
Die Burschen grinsten sich an und sagten wie aus einem Munde:
»Wir auch nicht, keiner, der hier sitzt, hat etwas...«
Wir wurden unterbrochen, und dann nochmal, und wieder. Man brachte uns das Abendessen, und da waren wir schon acht Mann in dieser Sammelzelle.
Nach dem Essen wurden Wolldecken ausgegeben, zwei für jeden. Sie waren schmutzig und stanken, aber es war kühl in der Zelle geworden.
Da waren Zuhälter, Diebe, Betrunkene. Ein eleganter Herr war dabei, mit dem unterhielt ich mich noch leise vor dem Einschlafen. Man warf ihm vor, er habe Geschäfte mit gefälschten Schecks gemacht. Er hatte sich schon ganz genau ausgerechnet, wieviele Monate man ihn einsperren würde.
Gegen elf Uhr wurde ich abgeholt und dem Haftrichter vorgeführt. Mein Herz klopfte zum Zerspringen, als ich mich vor seinem Schreibtisch auf einen Stuhl setzen durfte.
Der Richter war schon alt, sicherlich nahe an der Pensionsgrenze. Sein Gesicht zeigte weder Interesse noch Langeweile, es war überhaupt kein Gesicht, es war die Person gewordene Sachlichkeit.
»Herr Roeder, Sie wissen, weshalb Sie festgenommen wurden?«
»Ja, angeblich wegen Mordverdacht. Aber ich habe niemanden ermordet.«
»Das ist Sache des Staatsanwalts. Ich habe nur Ihre Haft zu überprüfen. Legen Sie Haftbeschwerde ein?«
»Würden Sie mir es empfehlen?«
»Ich habe Ihnen weder zu raten, noch abzuraten.«
»Ich möchte endlich wissen, wen ich ermordet haben soll. Kann man mir das wenigstens jetzt sagen?«
Der Richter blätterte in einer Akte, dann sagte er monoton:
»Sie werden beschuldigt, den Handelsvertreter Carl Weynert am Sonnabend, den 17. 10., in Davos durch Stürzen aus einer Balkontür ermordet zu haben. Sie haben...«
»Das habe ich nicht getan!« rief ich. Fast war ich erleichtert. Die Ungewissheit hat mich mehr zermürbt, als die Tatsache, die ich nun erfuhr. Carl Weynert... die Pistole... es würde vielleicht einen Freispruch mangels Beweisen geben... immer noch besser, als lebenslänglich eingesperrt zu sein.
Ach was, mangels Beweis, ich mußte wegen erwiesener Unschuld freikommen.
»Herr Roeder, Sie hören ja gar nicht zu. Ich fragte Sie, ob Sie nun Haftbeschwerde einlegen wollen oder nicht?«
»Nein«, sagte ich. »Das ganze ist ja ein Irrtum, und das wird sich auch ohne Haftbeschwerde schnell genug herausstellen.«
»Keine Haftbeschwerde«, murmelte der Richter, machte einen Vermerk auf die Akte und legte sie beiseite. Der Polizist führte mich hinaus, während das nächste Opfer eintrat.
Am Nachmittag wurde ich abgeholt und in einem Polizeiwagen ins Untersuchungsgefängnis gebracht. Man brachte mich in eine Einzelzelle, wie das bei Mordverdächtigen üblich ist. Ich hatte reichlich Zeit, über alles nachzudenken. Mein Gott, wie oft hatte ich in der letzten Zeit gegrübelt!
Was mich am meisten zermürbte, war die Tatsache, daß überhaupt nichts geschah. Ich wurde zu keinem Verhör geholt, ich zweifelte an Karin, die mir einen Anwalt hatte schicken wollen. Zum Teufel, war man denn für da draußen in dem Augenblick ein Verbrecher und abgeschrieben, sobald man hier saß?
Erst am vierten Tag, am Montag, den 23., holte man mich ab ins Polizeipräsidium, zum Morddezernat.
Ein überraschend elegant angezogener Herr empfing mich, bot mir einen Stuhl an und schob mir Zigaretten hin. Fast hätte ich gelächelt. Es fehlte jetzt nur noch, daß er seinen Arm um mich legte und anfing: Mein lieber Freund...
Er fing anders an:
»Ich habe Ihre Personalien studiert, Herr Roeder, und ich bin froh, daß ich es mit einem gebildeten Menschen zu tun habe. Ich denke, wir werden miteinander auskommen.«
»An mir wird das nicht liegen«, sagte ich. »Aber ich möchte nun endlich einmal etwas Konkretes hören. Der Haftrichter klärte mich auf, ich stehe unter Verdacht, Carl Weynert ermordet zu haben. Es ist mir absolut unerklärlich, wie man auf diese Idee gekommen ist.«
Ich hatte mir eine Zigarette genommen, und mein ganzes Denken war im Augenblick nur auf das Rauchen eingestellt. Der Kommissar gab mir höflich Feuer, setzte sich wieder und sagte:
»Man sagt uns allerhand Schlechtes nach, aber ich versichere Ihnen, daß wir Ihren Fall sehr gründlich studiert haben. Ihre Festnahme erfolgte keineswegs aus Bequemlichkeit oder Leichtfertigkeit. Ich
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