Mord in Londinium
dem Staub zu machen.
»Lass sie!«, befahl Helena. Sie nahm ihre Stola ab, die bereits an einigen Stellen durchnässt war, und legte den blauen Stoff über Chloris, während ich meine Hände und Unterarme im Sand abwischte. Draußen in der Arena lagen jede Menge Leichen, die meisten davon männlich. Die Frauen sahen zu uns herüber, und ein oder zwei begannen zu rennen. Am anderen Tor konnte ich ein paar rote Tuniken erkennen: Soldaten waren eingetroffen, zumindest ein paar. Einige sprachen mit den Schlägern; die meisten betrachteten lässig den dunklen Kadaver des toten Bären.
»Marcus!«, drängte Petro.
»Überlass sie uns!«, wiederholte Helena, gab mir einen Schubs. »Geh! Verfolge Florius!«
Petronius war schon losgelaufen, also folgte ich ihm wie im Traum.
Jetzt wussten wir, dass wir in Britannien waren. Große Götter, jedes Wohlwollen, das ich für diese Provinz empfand, wurde von diesem ersten gewaltigen Regenguss ausgelöscht. Stürme in südlichen Gefilden haben den Anstand, nachts zu kommen. Warum musste ein Wetterumschwung in nördlichen Breiten immer am Nachmittag passieren?
Kein Gebäude der Stadt hatte vermutlich so gute Abflüsse wie das Amphitheater, aber die schiere Menge des herabprasselnden Wassers ließ uns durch Sturzbäche platschen, um auch nur den Schutz des Eingangs erreichen zu können. Durch die Abflussgullys donnerte bereits das Wasser. Oben ließen Regenwände sämtliche Sitzreihen verschwinden. Der Gang zwischen der Publikumsbarriere an der ersten Reihe und der Sicherheitspalisade wurde fast augenblicklich über flutet.
Vor dem Amphitheater hätten wir in Londinium dem Regen nirgends so schutzlos ausgesetzt sein können, außer vielleicht auf dem Fluss. Petronius und ich stolperten aus dem Torweg; unsere Kleider klebten am Leib, unsere Haare waren klatschnass, und überall lief uns das Wasser herunter. Ich hatte das Gefühl, in dem ertrinken zu können, was mir aus der Nase lief. Meine Augen waren voll Wasser. Meine Füße klebten in meinen schweren Stiefeln, die ich kaum von dem durchweichten Boden heben konnte.
Wir blinzelten durch den Regen, aber Florius war verschwunden. Schattenhafte, vornübergebeugte Gestalten schützten ihre Köpfe so gut sie konnten und hasteten durch Regen und Nebel in alle Richtungen davon. Petro versuchte, sie zu befragen, aber sie schüttelten ihn ab. Wenn Florius einen Mantel gefunden oder von jemandem entwendet hatte, würden wir ihn nie erkennen.
Immer noch jagten Blitze über den pechschwarzen Himmel, beleuchteten unsere starren Gesichter. Petronius deutete in eine Richtung und lief los. Ich wandte mich nach rechts. Auf diesem Weg würde ich in offenes Land gelangen, was vergebliche Liebesmüh sein würde. Ein weiterer Donnerschlag schien von allen Seiten zu kommen. Wenn es einen Türeingang gegeben hätte, wäre ich dort untergekrochen und hätte alles andere sausen lassen.
Der Weg von der Arena traf auf eine Straße. Ich schlug mir das Knie an, als ich gegen den mit Metall bedeckten Straßenbelag stieß, aber ich humpelte weiter, da der Regen noch stärker wurde. Ich hasste diesen Ort. Ich hasste das Wetter. Ich hasste die verdammte, schlecht geführte, verwundbare Gesellschaft, die Florius eingelassen hatte, und die Verwaltung, die nichts unternahm, um seine Mätzchen zu unterbinden. Ich hasste die Planer, die Arenen in abgelegenen Gegenden errichteten. Ich hasste das Leben.
Didius Falco, immer der Fröhliche bei jeder Geselligkeit.
Ich wandte mich nach Süden, wo ich Gebäude zu entdecken meinte. Das Erste, das ich erreichte, schien eine Art Werkstatt zu sein, denn ich hörte Maschinen. Ich stieß eine Tür halb auf. Da drin musste sich eine Tretmühle befinden. Es war stockdunkel, aber ich konnte das lärmende Klappern der Paddel hören, das Tröpfeln von Wasser, das nach oben befördert wurde und dann in einen Sammelbehälter schwappte. Es klang eher zögerlich.
Ich hätte mich unterstellen können, doch es konnte Stunden dauern, bis der Regen aufhörte. Ich hatte immer noch die schwache Hoffnung, Florius einzuholen. Ich rief, aber niemand antwortete, also stapfte ich wieder in den Sturm hinaus.
Erschöpft von der Anstrengung, durch solches Wetter zu laufen, fand ich dann etwas Vielversprechenderes: In der Dunkelheit kaum auszumachen, stand da eine Gruppe von Gebäuden. Als ich näher kam, den Kopf gegen den Sturm gebeugt, lächelten mir die Parzen endlich einmal zu. Das Ganze machte einen kommerziellen Eindruck. Jemand
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