Mord in Londinium
entjungfert wurden.«
»Vergewaltigt?«
»Mehrfach, wenn nötig. Um sie zu terrorisieren, damit sie das tun, was man ihnen sagt.«
»Dieses Mädchen, das wir aufgelesen hatten und das er sich geschnappt hat, ist etwa vierzehn.«
»Manche sind noch jünger.«
»Du hast das beobachtet und nichts dagegen unternommen?« Ich funkelte ihn an. »War dir klar, dass du Florius direkt beobachtet hast?«
»Zuerst nicht. Wie du sagtest, er sieht ziemlich anders aus.«
»Dein Zollkumpel hat mir erzählt, Florius würde das Bordell als Büro benutzen, wenn er in die Stadt kommt. Also hängt er seine Stiefel sonst woanders auf?«
»Ich nahm an, die ›Alte Nachbarin‹ hätte ihm Räume vermietet«, bestätigte Petro. »Er ist ein paar Mal direkt vor meiner Nase rein- und rausgegangen, bevor ich erkannte, dass er es war. Dann habe ich rausgekriegt, dass ihm das Haus gehört, dass es eng mit seinen anderen Aktivitäten verbunden ist.«
»Und wo hält er sich sonst auf?«
»Flussabwärts. Er hat ein Boot«, berichtete mir Petro. »Durch das Boot bin ich aufmerksam geworden. Erinnerst du dich, dass ich an dem Morgen, als sie die Leiche des Bäckers in den Fluss geworfen haben, jemanden am Bug stehen sah?«
»Du hast gesagt, dass dich was beunruhigt.«
»Ich konnt’s nicht einordnen. Als ich kapierte, dass er es war, hab ich laut gebrüllt. So wie er da stand, ohne viel zu tun …« Petro blickte finster. »Er muss zugeschaut haben, wie seine Männer die Leiche über Bord warfen. Typisch Florius. Schaut gerne zu. Wie die gesamte Familie. Die weiden sich daran, wenn jemand leidet, weil sie wissen, dass sie es verursacht haben.«
»Das Gefühl von Macht und die Heimlichkeit. Ich wette, Florius bespitzelt die Kunden, wenn sie mit den Bordellmädchen zugange sind.«
»Garantiert.«
Wir verstummten.
Wir hatten Florius verloren, und das Wetter war zu mies, um draußen rumzurennen. Es würde nicht schaden, ruhig hier zu sitzen und nachzudenken.
Wir dachten immer noch nach, als die Tür aufflog. Nachdem es den Neuankömmlingen gelungen war, sie gegen den Sturm zuzudrücken, teilte ihnen der Wirt freundlich mit: »Keine Frauen.«
Da es Helena und Albia waren, die hereingestolpert kamen, grinste Petronius und verkündete, diese beiden durchnässten Wesen würden zu uns gehören. Der Wirt hielt sie für Dirnen und nahm an, wir würden für ihre Dienste bezahlen, aber wir behandelten sie trotzdem höflich. Sobald sie mich sah, kam Helena mit der gleichen Besorgnis auf mich zu, die Petronius gezeigt hatte. »Oh, Marcus!«
»Mir geht’s gut«, log ich. Immer noch stehend, legte Helena ihre Arme um mich; das haute mich fast um. Ich musste gegen die Tränen ankämpfen.
»Ihre Freundinnen haben sie weggebracht. Man konnte nichts mehr für sie tun. Das weißt du.«
Als sie mich losließ, riss ich mich zusammen. Sie setzte sich neben mich.
Albia hatte ihre Hysterie überwunden und war jetzt total erstarrt. Helena wrang ihr Haar aus, dann ihre Röcke. Das Mädchen saß einfach nur da. Helena strich ihr das zerzauste Haar hinter die Ohren und wischte ihr mit Petros Handtuch das Gesicht so gut wie möglich trocken.
»Florius?«, fragte Helena leise.
Petronius goss sich Wein nach, schaute schlecht gelaunt. »Wir haben ihn verloren. Aber das hier ist eine ausweglose Provinz am Ende der Welt. Er kann nirgends hin.«
Ein bisschen zu optimistisch, meiner Meinung nach.
Wir saßen alle lethargisch da, durch das Wetter müde bis auf die Knochen. Wenn wir hier zu lange blieben, würden wir uns alle erkälten. Unsere durchnässte Kleidung trocknete nicht, wurde nur schwerer und kälter.
Wir blieben trotzdem, weil Helena etwas Dringendes vorhatte. Sie legte ihren Arm um Albia und redete sanft auf sie ein. »Du warst sehr verstört, als du diesen Mann erkannt hast. Ich möchte, dass du mir erzählst – und am besten jetzt gleich, Liebes –, was du über ihn weißt.«
»Wir wissen, dass er dieses Bordell namens ›Alte Nachbarin‹ betreibt«, fügte Petronius in leisem Ton hinzu, um dem Mädchen den Anfang zu erleichtern.
»Wolltest du überhaupt dort hin?«, fragte Helena.
»Ich weiß nicht.« Albia klang, als befürchtete sie, durch alles, was sie sagte oder tat, Ärger zu bekommen. »Ich wusste nicht, wohin er mich brachte.«
»Wusstest du, wer er war?«
»Nein.«
»Du hattest ihn noch nie gesehen?«
»Nein.«
»Wie hat er sich denn dann an dich rangemacht?«
»Er kam zu mir und war nett, als ich da saß, wo Falco mich
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