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Mord in Londinium

Titel: Mord in Londinium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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rasiertes Gesicht und eine Toga. Es bedeutete ebenfalls, dass ich freundlich sein musste, obwohl freundlich nicht gerade zu meiner Stimmung passte.
    Meine Anwesenheit war eine armselige Entschädigung für Gäste, die gehofft hatten, wichtige Männer kennen zu lernen: Männer, deren Interesse ihre Karriere in Britannien fördern würde. Wie gesagt, ein mieser Ersatz! Aber Aelia Camilla versicherte ihnen, dass sie eine zweite Chance bekämen, sich mit den wirklich Wichtigen zu treffen.
    »Danke, lieber Marcus, dass du die Lücke so tapfer ausfüllst.« Sie war eine liebenswürdige Frau. Genau wie Helena, war sie von Natur aus schüchtern in Anwesenheit Fremder, aber absolut kompetent, wenn es die gesellschaftliche Pflicht verlangte. Beide hätten es vorgezogen, traditionelle Matronen zu sein, die öffentliche Auftritte vermieden, doch wenn irgendjemand sie angewiesen hätte, außer Sichtweite hinter einem Vorhang zu sitzen, hätten beide Pfeile abgeschossen wie eine Armee von Parthern. Heute hatten sich beide mit zusätzlichem Schmuck behängt, ihre Gesichter sorgfältig geschminkt und bemühten sich darum, unseren Gästen gegenüber Wärme auszustrahlen.
    Es war die übliche Bande undankbarer Flegel auf der Suche nach kostenloser Verpflegung. Wir hatten zwei laute gallische Weinimporteure aus irgendeiner aquitanischen Schröpft-die-Säufer-Gilde und einen extrem nervösen Briten, der Hilfe bei der Suche nach Märkten für lebend exportierte Austern brauchte; er sagte, er hätte gern welche zum Probieren mitgebracht, aber es sei nicht die Saison dafür. Dann war da noch ein stiller Geschäftsmann, dessen genaue Rolle mir entgangen sein musste, obwohl er sich in Botschaftsumgebungen durchaus zu Hause zu fühlen schien. Er wusste, dass man sich nicht in der Nase bohrt. Die Restlichen spazierten in der Residenz umher, als hätten sie vergessen, dass es eigentlich ein Privathaus war. Sie schauten sich mit so großen Augen um, dass ich sie genauer musterte und mitzählte, wie viel sie tranken. Alle würden glauben, die Residenz sei mit Steuergeldern erbaut worden. Wohingegen ich annahm (und ich hatte gute Gründe für diese Annahme), dass ihre betrügerischen Buchhalter gerissene Tricks zur Steuerhinterziehung entwickelt hatten.
    Diesem Gesprächsthema widmete ich mich voller Vergnügen, um den Weinimporteuren ihr rüdes Benehmen heimzuzahlen. Ich ließ mir von den Galliern all die listigen Ratschläge ihrer Buchhalter verraten und erwähnte dann, dass ich Steuerfahnder für den kaiserlichen Zensus gewesen sei. »Heute Abend außer Dienst!«, verkündete ich strahlend, ein äußerst wohlwollender offizieller Gastgeber. Ich ließ die Beruhigung so unaufrichtig wie möglich klingen.
    Helena schaute mich misstrauisch an, kam dann herüber und tauschte mit mir den Sitzplatz. Jetzt kümmerte ich mich um den Austernmann. Er hatte keinen Buchhalter. Ich machte ein paar vernünftige Andeutungen darüber, dass er sich einen besorgen müsste, wenn er in den Fernhandel einsteigen wollte. Die Gauner auf dem römischen Fischmarkt würden jeden Amateur, der seine Waren blind zum Emporium schickte, kräftig übers Ohr hauen. »Sie brauchen einen Negotiator. Wenn dessen Anteil vom Verkauf abhängt, wird er dafür sorgen, dass Sie den richtigen Preis bekommen.«
    »Die scheinen sehr teuer zu sein.«
    »Aber was bleibt Ihnen anderes übrig? Haben Sie vor, jedes Fass Salzwasser persönlich bis nach Rom zu begleiten? Auf diese Weise verlieren Sie viel Zeit, und was dann? Es gibt keine Garantie, dass Sie den höchsten Bieter finden, wenn Sie dort ankommen. Die Wiederverkäufer werden alle schwören, dass die Römer nur traditionelle lukrinische Austern wollen, und wenn sie dann Ihre billig aufgekauft haben, werden sie sie als Exotikum aus Britannien mit hohem Gewinn verkaufen: deren Gewinn, nicht Ihrem!«
    »Aber ich würde Rom gerne sehen.«
    »Dann reisen Sie hin, mein Freund. Ein Mal, zu Ihrem Vergnügen. Während Sie dort sind, besorgen Sie sich einen Negotiator. Die Kosten dafür werden sich decken, glauben Sie mir. Ohne Hilfe werden Sie unter den Emporium-Haien Bankrott gehen.«
    Er dankte mir überschwänglich. Vielleicht vertraute er mir sogar. Vielleicht würde er meinen Rat beherzigen. Von der anderen Seite des Raumes warf mir Helena ein anerkennendes Lächeln zu, das ich mit einem höflichen Salut erwiderte. Der Austernmann war selbst bleich und grau, knorrig wie das Produkt, das er verkaufte. Ich schrieb meine Heimatadresse auf

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