Mord in Londinium
durcheinander gebracht, den Koch verärgert, und dann war Albia natürlich schlecht geworden. Heute hatten die Kinder ihr zu erklären versucht, dass sie bis zum Mittagessen warten musste, aber das war schlecht angekommen.
»Albia versteht uns nicht«, sagte Flavia.
Ich blickte zu der Streunerin. »Oh, ich glaube, sie versteht euch sehr gut.« Albia und Flavia mussten etwa gleich alt sein. Albia war kleiner, natürlich magerer und halsstarrig ausdruckslos. Ich sah keinen Grund, sie für weniger intelligent zu halten als die zartgesichtige Flavia.
Albia sah mich einmal an, dann schaute sie weg, starrte absichtlich zu Boden. Kurz bevor die Vase zerbrochen war, hatte es Geschrei gegeben – starrköpfige, ungehemmte Wut und Gebrüll, eine Hysterie, für die sich selbst meine kleine Julia schämen würde. Ich packte Albia an den Schultern. Durch das blaue Kleid konnte ich die Knochen spüren, als ich das Mädchen zu mir herumdrehte. Ihr bleiches Gesicht und die dünnen, nackten Arme waren immer noch schlimm zerkratzt von ihrem Versuch, die Hunde zu retten. Gesäubert hatte sie ein verwaschenes Aussehen mit blutleerer Haut. Ihr Haar war hellbraun, ihre Augen strahlend blau – diese dunkle Farbe, die hier im Norden vorherrschend war. Aber ihre ungeformten jungen Züge waren vom Typ her vertraut. Ich schätzte sie auf halb britannisch und halb römisch. »Sie versteht nicht!«, quiekte die kleine Rhea schützend. Albias Mund war zu einer festen Linie zusammengepresst, als wollte sie das unterstreichen.
»Selbst ein dummes Häschen würde das verstehen!«, knurrte ich. »Wir haben sie aufgenommen, also muss sie nach unseren Regeln leben. Aelia Camilla wird sehr traurig sein, dass ihr wunderschönes Glas zerbrochen ist. Und das mit Absicht, Albia!«
Das Mädchen blieb stumm.
Ich verlor an Boden. Mit jeder Sekunde wirkte ich mehr wie ein grausamer Meister, der ein verzweifeltes Opfer bedroht. »Wirst du sie zur Sklavin machen?«, wollte Gaia atemlos wissen. Wie kam sie auf die Idee? Gut möglich, dass das wilde Mädchen das befürchtete, aber sie wollte nicht sprechen, wie hatte sie das den Kindern mitgeteilt? Ich roch eine Verschwörung.
»Sicherlich nicht. Und sagt ihr nicht, dass ich das tun werde. Sie ist keine Kriegsgefangene, und niemand hat sie mir verkauft. Aber hör mir zu, Albia – und ihr anderen merkt euch auch, was ich sage! Ich werde keine absichtliche Zerstörung dulden. Noch ein Stück mehr, und du bist wieder auf der Straße.«
Tja, das zeigte es ihnen. M. Didius Falco, rauer Mistkerl und römischer Vater. Die Augen meiner eigenen Tochter waren vor Erstaunen geweitet.
Hilaris und ich gingen zusammen weiter. Als wir das Ende des Flurs erreichten, hörten wir ein weiteres Krachen. Albia hatte trotzig ein zweites dekoratives Glas zerschmettert. Sie rannte nicht mal weg, sondern wartete mit erhobenem Kinn, während wir zurückgingen.
Ich hatte ihr ein Ultimatum gestellt, vor dem ich nicht zurückweichen konnte. Also durfte Flavius Hilaris, Prokurator von Britannien, die Aufgabe übernehmen, sieben weinende Kinder zu beruhigen. Ich hatte sowieso in die Stadt gehen wollen, daher ging ich sofort und nahm Albia mit. Meine Hand schwer auf ihrer Schulter, marschierte ich mit ihr zurück zu den Gassen, aus denen sie kam. Ich hielt nicht inne, um darüber nachzudenken, was für ein typisches Mittelschichtsschwein ich geworden war.
Auch wagte ich nicht, es Helena zu erzählen.
XIX
Die Streunerin nahm ihr Schicksal schweigend hin. Ich ging mit ihr zu einer Imbissbude, die ich noch nicht kannte. Offenbar war hier nur tagsüber geöffnet. Ich setze sie draußen in einer Ecke an einen der quadratischen Tische auf dem Bürgersteig, abgetrennt durch Kübel mit vertrocknetem Lorbeer in südländischem Stil. Ich kaufte ihr etwas zu essen, da sie ständig hungrig war, und bat den Besitzer, sie dort sitzen zu lassen, wenn sie keinen Ärger machte. Es war fast Mittagszeit, aber in der Caupona war nichts los. Ich merkte mir den Namen: »der Schwan«. Gegenüber konnte man Messer kaufen. Zwei Häuser weiter befand sich eine anrüchig aussehende Weinschenke mit einem Schild, auf dem ein fliegender Phallus zwischen zwei riesigen gemalten Bechern zu sehen war. Die Kneipe trug den schönen Namen »Ganymed«.
»Warte hier auf mich, Albia. Ich komme später wieder. Du kannst was essen und dich umschauen. Das ist die Gegend, aus der du kamst. Und genau hierher wirst du zurückkehren, wenn du das willst.« Das
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