Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord in Mesopotamien

Mord in Mesopotamien

Titel: Mord in Mesopotamien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
stieß schrill hervor: «Ach, hier bist du, Joseph. Ich dachte, du seiest im Labor.»
    Er sprang erschrocken und verwirrt auf, als habe sie einen Zauber gebrochen, und stammelte: «Ich… ich muss jetzt gehen. Ich bin mitten… mitten in…» Er sprach nicht zu Ende, sondern ging zur Tür.
    Mrs Leidner sagte in ihrem sanften, gedehnten Tonfall: «Sie müssen mir das ein anderes Mal weitererklären, es hat mich sehr interessiert.»
    Sie sah zu uns auf, lächelte reizend und abwesend und beugte sich wieder über ihre Handarbeit. Nach einer kleinen Weile sagte sie: «Da drüben finden Sie Bücher, Schwester, einige davon sind ganz gut. Nehmen Sie sich eins, und setzen Sie sich zu mir.»
    Ich ging zum Bücherregal. Mrs Mercado blieb ein paar Augenblicke stehen, dann wandte sie sich mit einem Ruck um und ging mit wutverzerrtem Gesicht hinaus.
    Unwillkürlich fielen mir einige boshafte Bemerkungen ein, die Mrs Kelsey über Mrs Leidner gemacht hatte. Ich wollte nicht daran glauben, weil mir Mrs Leidner sehr gut gefiel, dennoch dachte ich, ob nicht vielleicht ein Körnchen Wahrheit daran sein mochte.
    Es war bestimmt nicht ihr Fehler, aber weder die gute, hässliche Miss Johnson noch die ordinäre, gehässige Mrs Mercado konnten Mrs Leidner, was Anziehungskraft anbelangte, auch nur das Wasser reichen. Und schließlich, Männer sind Männer, das ist auf der ganzen Welt das Gleiche. Das erfährt man in meinem Beruf.
    Mercado war ein armer Teufel, und ich glaube nicht, dass Mrs Leidner seine Bewunderung etwas bedeutete – aber seiner Frau bedeutete sie sehr viel, und ich hatte den Eindruck, dass sie nur zu gerne Mrs Leidner etwas antun würde.
    Als ich jetzt Mrs Leidner betrachtete, die, ihre schönen Blumen stickend, so unberührt und fernab von allem dasaß, hatte ich das Gefühl, ich müsste sie warnen, denn vielleicht wusste sie nicht, wie dumm und unvernünftig und gefährlich Eifersucht und Hass sich auswirken können – und wie wenig dazu gehört, diese Leidenschaften anzufachen.
    Dann sagte ich mir aber: Amy, sei nicht blöd. Mrs Leidner ist kein Kind. Sie ist bald vierzig und wird das Leben kennen. Trotzdem kam es mir vor, als kenne sie es nicht. Wie mochte ihr Leben verlaufen sein? Ich wusste, dass sie Dr. Leidner erst vor zwei Jahren geheiratet hatte, und nach den Erzählungen von Mrs Mercado war ihr erster Mann vor mehr als fünfzehn Jahren gestorben.
    Ich setzte mich mit meinem Buch neben sie, und bald war es Zeit fürs Abendessen. Es gab einen ausgezeichneten Reis mit Curry, und alle gingen früh zu Bett, was mir sehr gelegen kam, denn ich war müde.
    Dr. Leidner begleitete mich zu meinem Zimmer, um zu sehen, ob mir nichts fehlte. Beim Abschied drückte er mir herzlich die Hand und sagte lebhaft: «Sie mag Sie, Schwester, Sie haben ihr sofort gefallen. Ich bin so froh und hoffe, dass nun alles gut wird.»
    Ich hatte auch das Gefühl, dass Mrs Leidner mich mochte, und freute mich darüber, doch ich konnte seine Hoffnung nicht teilen. Es schien mir, als ob hinter allem mehr stecke, als er wusste. Es war irgendetwas… irgend etwas, das in der Luft lag, aber ich wusste nicht, was.
    Das Bett war bequem, trotzdem schlief ich schlecht. Ich träumte zu viel.

7
     
    I ch möchte schon jetzt klarstellen, dass mein Bericht keine so genannten Milieu-Schilderungen enthalten wird. Ich verstehe nichts von Archäologie und interessiere mich auch nicht dafür. Sich wegen Menschen und Städten, die seit Jahrtausenden begraben sind, den Kopf zu zerbrechen, halte ich für Unsinn. Mr Carey sagte mir des öfteren, mir fehle der archäologische Spürsinn, und damit hat er vollkommen Recht. Am Morgen nach meiner Ankunft fragte er mich, ob ich mit ihm kommen wolle, um den Palast zu sehen, den er «plane», wie er sich ausdrückte. Ich verstehe zwar nicht, wie man etwas planen kann, das vor ewigen Zeiten bestanden hat, ging aber mit ihm. Ich muss gestehen, dass ich doch neugierig war, den fast dreitausend Jahre alten Palast zu sehen. Ich fragte mich, was für Paläste es damals gegeben hatte und ob er den Bildern von Tutanchamuns Grabeinrichtung, die ich gesehen hatte, glich. Doch es war nichts zu sehen als Lehm! Schmutzige, etwa einen halben Meter hohe Lehmmauern – das war alles. Mr Carey führte mich herum und erklärte mir, dass hier der Große Hof sei, dass sich dort einige Gemächer befänden, und behauptete an einer anderen Stelle, es gebe dort ein oberes Stockwerk und Gemächer, die an einem zentralen Hof lägen. Ich dachte

Weitere Kostenlose Bücher