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Mord in Mesopotamien

Mord in Mesopotamien

Titel: Mord in Mesopotamien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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für den jungen Amerikaner, Mr Emmott. Wenn er am Ausgrabungsort zu tun hatte, plauderte sie jeweils eine Weile mit ihm, und ich glaube, er fand auch Gefallen an ihr.
    Einmal machte Mrs Leidner bei Tisch eine Bemerkung darüber, recht unüberlegt, wie ich fand. «Das Reilly-Mädchen ist hinter Ihnen her, David», sagte sie lachend. «Armer David, sie sucht Sie sogar bei der Arbeit heim. Wie albern doch Mädchen sind!»
    Mr Emmotts sonnengebräuntes Gesicht wurde noch dunkler. Er antwortete nicht, sondern hob nur die Brauen und blickte sie durchdringend, fast herausfordernd an. Sie lächelte leicht und blickte dann fort.
    Ich hörte Pater Lavigny etwas murmeln, doch als ich ihn fragte: «Wie bitte?», schüttelte er nur den Kopf.
    Am Nachmittag sagte Mr Coleman zu mir: «Es ist komisch, aber ich mochte Mrs Leidner zuerst nicht besonders. Wenn ich den Mund auftat, wischte sie mir eins aus; aber jetzt verstehe ich sie besser. Sie ist eine der nettesten Frauen, die ich kenne, und man kann ihr alles sagen. Sie benimmt sich etwas boshaft Sheila Reilly gegenüber, aber Sheila war auch ein paarmal verdammt ungezogen zu ihr. Das ist das Schlimmste an Sheila… sie hat überhaupt keine Manieren und ist boshaft wie der Teufel.» Das war auch meine Ansicht; Dr. Reilly verwöhnte sie zu sehr.
    «Es ist ihr natürlich zu Kopf gestiegen, dass sie das einzige junge Mädchen hier in der Gegend ist. Das gibt ihr aber nicht das Recht, mit Mrs Leidner zu sprechen, als wäre sie ihre Großtante. Mrs Leidner ist kein Küken mehr, aber eine verdammt gut aussehende Frau, fast wie eine von den Elfen, die einen nachts auf dem Heimweg mit Irrlichtern locken.» Bitter fügte er hinzu: «Sheila wird nie jemanden locken, sie kann sich nur über einen lustig machen.»
    Zwei andere aufschlussreiche Vorfälle sind mir in Erinnerung geblieben.
    Eines Tages ging ich ins Laboratorium, um mir Aceton zu holen, da meine Finger vom Kitten der Tonscherben klebrig waren. Mr Mercado saß in einer Ecke, den Kopf in den Armen vergraben, und schlief, wie ich annahm. Ich nahm die Flasche und ging hinaus.
    Am Abend fragte mich Mrs Mercado zu meiner großen Überraschung höchst unfreundlich: «Haben Sie aus dem Laboratorium Aceton geholt?»
    «Ja», antwortete ich.
    «Sie wissen doch ganz genau, dass im Antiquitäten-Zimmer immer ein Fläschchen steht.» Sie war wütend.
    «So? Das wusste ich nicht.»
    «Doch, Sie wussten es genau. Sie wollten nur spionieren, ich kenne ja Krankenschwestern.»
    Ich starrte sie an und entgegnete würdevoll: «Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Mrs Mercado – ich will bestimmt niemandem nachspionieren.»
    «Nein, natürlich nicht! Meinen Sie, ich wisse nicht, warum Sie hier sind?»
    Einen Augenblick glaubte ich, sie sei betrunken. Ich ging ohne ein Wort der Erwiderung hinaus, fand das Ganze aber äußerst merkwürdig.
    Der andere Vorfall war eigentlich auch ziemlich belanglos. Ich wollte einem Hund ein Stück Brot geben; da er wie alle Araberhunde scheu war, traute er mir nicht und rannte aus dem Hof; ich folgte ihm durch den Torbogen, der Hausmauer entlang, und als ich rasch um die Ecke bog, prallte ich mit Pater Lavigny und einem anderen Mann zusammen… zu meinem Erstaunen sah ich sofort, dass es derselbe Mann war, den Mrs Leidner und ich kürzlich beobachtet hatten, als er durch ihr Fenster zu schauen versuchte.
    Ich entschuldigte mich, Pater Lavigny lächelte, verabschiedete den Mann mit einem kurzen Wort und ging mit mir ins Haus zurück.
    «Wissen Sie», begann er, «ich schäme mich richtig. Ich bin Orientalist, und keiner der Arbeiter versteht mich. Das ist doch beschämend. Ich versuchte jetzt mein Arabisch an diesem Mann, der ein Städter ist, um zu sehen, ob er mich verstünde, aber es ging auch nicht. Leidner sagt, mein Arabisch sei zu rein.»
    Das war alles. Es kam mir nur flüchtig in den Sinn, es sei merkwürdig, dass derselbe Mann wieder hier herumlungere. In der folgenden Nacht erlebten wir dann einen großen Schrecken.
    Es muss gegen zwei Uhr morgens gewesen sein. Wie die meisten Pflegerinnen habe ich einen leichten Schlaf. Ich war wach, als sich plötzlich die Tür meines Zimmers öffnete.
    «Schwester! Schwester!» rief Mrs Leidner leise und eindringlich.
    Schnell zündete ich die Kerze an und sah Mrs Leidner in einem langen blauen Morgenrock unter der Tür stehen. Sie war vor Angst fast versteinert.
    «Im Zimmer neben mir ist jemand… ich hörte ihn… an der Wand kratzen.»
    Ich sprang aus dem Bett. «Sie

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