Mord in Mesopotamien
Dickhäuter, machte Bemerkungen darüber. «Die Atmosphäre hier geht mir auf die Nerven», hörte ich ihn einmal sagen, «ist man hier immer so mürrisch und gereizt?»
Er stellte die Frage David Emmott, dem andern Assistenten, der mir gut gefiel; seine Schweigsamkeit war bestimmt nicht auf Unfreundlichkeit zurückzuführen. Er war der ruhende Pol inmitten dieser Menschen, von denen man nicht wusste, was sie fühlten oder dachten.
«Ich weiß es nicht», antwortete Mr Emmott, «voriges Jahr war es nicht so.» Mehr sagte er nicht.
«Ich verstehe einfach nicht, was es ist», fuhr Mr Coleman in beleidigtem Ton fort.
Emmott zuckte nur die Achseln und schwieg.
Ich hatte ein ziemlich aufschlussreiches Gespräch mit Miss Johnson, die ich sehr schätzte; sie war tüchtig, sachlich und intelligent, und es war offensichtlich, dass sie Dr. Leidner wie einen Helden verehrte.
Sie erzählte mir seine Lebensgeschichte von seiner Jugend an; sie wusste genau Bescheid über seine archäologische Laufbahn, über seine sämtlichen Ausgrabungen und deren Resultate, und ich war sicher, dass sie von jedem Vortrag, den er je gehalten hatte, Zitate bringen könnte. Wie sie mir sagte, hielt sie ihn aufgrund seiner Ausgrabungsarbeiten für einen der bedeutendsten Archäologen der Gegenwart.
«Und dabei ist er so bescheiden, so uneigennützig. Er kennt nicht einmal die Bedeutung des Wortes ‹Einbildung›; nur ein wirklich großer Mann kann so sein.»
«Das stimmt», sagte ich, «bedeutende Menschen haben es nicht nötig, sich aufzuspielen.»
«Und er kann so amüsant sein: Sie können sich gar nicht vorstellen, wie lustig wir es in den ersten Jahren hier draußen zusammen hatten – er und Richard Carey und ich. Wir waren eine glückliche Familie. Richard Carey arbeitete bereits in Palästina mit ihm zusammen, sie sind schon seit zehn Jahren befreundet, und ich kenne ihn seit sieben Jahren.»
«Was für ein gut aussehender Mann Mr Carey ist.»
«Ja – ich glaube, das stimmt.»
«Aber er ist sehr ruhig, nicht wahr?»
«Früher war er nicht so», antwortete sie rasch, «erst seit…» Sie hielt inne.
«Seit wann?» fiel ich schnell ein.
Sie zuckte in einer für sie charakteristischen Art die Achseln. «Ach, es hat sich in letzter Zeit viel geändert.»
Ich schwieg, in der Hoffnung, sie würde weitersprechen, was sie auch tat – nachdem sie ihre Bemerkung mit einem kurzen Lachen abgetan hatte, als wolle sie deren Unwichtigkeit betonen.
«Ich bin nun einmal etwas altmodisch. Manchmal denke ich, dass Frauen von Archäologen, wenn sie nicht wirklich an der Arbeit interessiert sind, besser zu Hause blieben und ihre Männer nicht zu den Ausgrabungen begleiteten; es führt oft zu Reibereien.»
«Mrs Mercado … » , deutete ich an.
«Ach, die!» Miss Johnson machte eine wegwerfende Handbewegung. «Ich dachte an Mrs Leidner. Sie ist wirklich eine bezaubernde Frau, und man kann verstehen, dass Dr. Leidner sich in sie verliebt hat, aber ich kann mir nicht helfen, ich finde sie hier fehl am Platze. Sie… sie stiftet Unruhe.»
Miss Johnson war also wie Mrs Kelsey der Meinung, dass Mrs Leidner für die gespannte Atmosphäre verantwortlich sei. Aber was war der Grund für Mrs Leidners nervöse Angstzustände?
«Sie hat ihn verändert», fuhr Miss Johnson ernst fort. «Ich bin zwar ein bisschen wie ein eifersüchtiger alter Hund, aber ich kann es nicht mit ansehen, wie er sich aufreibt und vor Sorgen um sie vergeht. Er sollte sich ganz auf die Arbeit konzentrieren können und nicht durch seine Frau und ihre albernen Ängste davon abgehalten werden. Wenn es ihr auf die Nerven geht, an so abgeschiedenen Orten zu leben, hätte sie in Amerika bleiben sollen. Ich habe nichts übrig für Menschen, die freiwillig irgendwohin gehen und sich dann dauernd darüber beschweren.»
Dann, als fürchte sie, zu weit gegangen zu sein, fügte sie hinzu: «Natürlich schätze ich sie sehr. Sie ist eine entzückende Frau; sie kann reizend sein, wenn sie will.»
Damit ließ sie das Thema fallen.
Ich dachte bei mir, dass es immer das Gleiche war: Wo Frauen zusammen sind, gibt es Eifersucht. Miss Johnson mochte offensichtlich die Frau ihres Chefs nicht (was verständlich war), und Mrs Mercado hasste Mrs Leidner richtiggehend, wenn ich mich nicht sehr irrte.
Auch Sheila Reilly konnte Mrs Leidner nicht leiden. Sie kam ein paarmal zur Ausgrabungsstätte, einmal im Auto und zweimal mit einem jungen Begleiter zu Pferde. Ich glaube, sie hatte eine Schwäche
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