Mord in Oxford
Bürogebäude aus der Zeit, als die viktorianischen Bauherren begannen, ihre roten Ziegelbauten mit weißen Dekorationen zu verzieren. Eine traurige Chimäre spuckte Regentränen auf die Schultern der Männer. Gavins Begleiter schloss die Tür auf. Bis sie endgültig verschwunden waren, hatte Kate noch überlegt, ob sie in den Laden gehen und den bulgarischen Roten im Super-Sonderangebot erstehen sollte. Nun überquerte sie die Straße und näherte sich vorsichtig der schwarz lackierten Tür mit ihren polierten Beschlägen und einem messingglänzenden Briefkasten. Wenn sie Gavin wäre, dachte Kate, dann würde sie wahrscheinlich jetzt aus einem Fenster der ersten Etage spähen, um festzustellen, ob ihm jemand gefolgt war und in der Nähe herumlungerte. Aber vielleicht las Gavin nicht die gleichen Romane wie sie. Vielleicht hatte er auch ein völlig reines Gewissen und sah nicht die geringste Veranlassung, sich verfolgt zu fühlen. Vielleicht.
Auf einer Seite der Eingangstür waren Namenschilder aus Messing eingelassen. Kate kramte ihr Notizbuch hervor, fand eine fast leere Seite, auf der nur die Worte ›Gelbe Hemden? Gestärkt?‹ standen, und schrieb die Firmennamen von den Schildern ab. White and Darke , notierte sie. Hörte sich irgendwie nach Zahnärzten an. Unternehmensberatung . Also doch keine Zahnärzte. Trotzdem, ein komischer Name. Grant Investments . Grant Holdings . Oxbridge Städtische Freizeiteinrichtungen . Was um alles in der Welt sollte das nun wieder heißen?
Als Kate fertig war, ging sie ein Stück weiter die Straße entlang und entdeckte das Schaufenster eines Ökoladens. Die Lebensmittel sahen auf ihre naturbelassene und handgestrickte Art eigentlich ganz lecker aus, aber Kate fragte sich dennoch, warum sich Leute mit einigen der anderen Dinge voll stopften, die ebenfalls in der Auslage präsentiert wurden.
Fünf Minuten später hatte Gavin das Gebäude noch immer nicht verlassen, und Kate langweilte sich allmählich. Es wurde Zeit, weiterzugehen. Sie machte sich auf den Weg über High Street und Radcliffe Square zum College-Geviert der Bodleian-Bibliothek. Der Portier hinter den großen Glastüren der Eingangshalle würde sie sicher sein Telefon benutzen lassen, um Andrew anzurufen.
»Wie wäre es mit einer Tasse Tee?«, fragte dieser sofort. »Wir treffen uns im Convocation House, dort gibt es einen fantastischen glasierten Karottenkuchen. Man gönnt sich ja sonst nichts.«
Andere gönnen sich stattdessen die Ginsengpillen und Knoblauchkapseln aus dem Ökoladen, dachte Kate. Nett von Andrew, dass er bereit war, sie zu treffen und ihr zu helfen. An seinen Bauchansatz musste sie ja jetzt nicht denken – und auch nicht an die durchtrainierte Figur von Liam, ihrem joggenden Dozenten. Es ist nicht dein joggender Dozent, Kate, ermahnte sie sich und überlegte dabei, ob er wohl clever genug war, ihre Telefonnummer herauszufinden, die nicht im Telefonbuch verzeichnet war.
Das Café im Convocation House war ausgesprochen laut. Jedes Geräusch hallte in den Räumen wider. Trotzdem freute Kate sich, denn hier herrschte Rauchverbot. Sie suchten sich große Kuchenstücke aus und bestellten zwei Kännchen Earl-Grey-Tee. Dieses Mal bezahlte Kate.
»Also los«, sagte Andrew, nachdem sie einen freien Tisch in einer Ecke gefunden hatten, »dann lass uns mal einen Blick in deine Liste werfen.« Er las die Namen sorgfältig durch. »Auf den ersten Blick kann ich nichts damit anfangen, aber vielleicht kann ich in den Verzeichnissen etwas darüber finden. Außer, die Firmen sind so neu, dass sie in der letzten Auflage noch nicht erwähnt sind.«
»Sie machten eher einen ehrwürdigen Eindruck«, sagte Kate. »Alt. Etabliert.«
»Das liegt an den Messingschildern«, sagte Andrew und schob mit sahneverschmierten Fingern eine rötliche Locke zurück. »Und wenn du eine nicht ganz koschere Sache planst, legst du Wert auf genau so einen Eindruck, glaubst du nicht?«
»Mit anderen Worten, du denkst, dass ich mir das alles nur aus den Fingern sauge?«
»Ganz genau«, nickte Andrew, »das denke ich. Aber weil ich ein netter und freundlicher Mensch bin, werde ich die Namen trotzdem für dich nachschlagen.«
Kate überlegte, ob sie ihn auf die Zitronenglasur in seinem Haar hinweisen oder darauf verzichten sollte, ganz die Lady, die sie nicht war. Sie entschied sich für Zurückhaltung.
Zurück in Fridesley fuhr Kate, einem Impuls folgend, die Rosamund Road hinunter und parkte vor der Hausnummer 23. Es war das
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