Mord in Oxford
Haus von Gavin und Penny. Gavin befand sich bestimmt noch im Büro der Unternehmensberater in der King Edward Street. Penny hatte mindestens eine weitere Stunde zu arbeiten und musste auf dem Heimweg die Kinder abholen.
Merkwürdigerweise konnte man dem Haus von außen ansehen, dass es leer war. Trotzdem war es gemein, sich einzuschleichen. Aber warum eigentlich nicht? Wenn Kate sich in Pennys und Gavins Abwesenheit in aller Ruhe umsehen konnte, fand sie vielleicht einen Beweis, dass auch Gavin von Yvonne erpresst worden war. Möglicherweise auch, dass er Informationen aus dem Gemeinderat an die Unternehmensberater weitergegeben hatte. Auf jeden Fall musste sie schnell handeln, ehe sie anfing nachzudenken und vielleicht ihre Meinung änderte.
Kate ging den Gartenweg entlang und klingelte an der Tür. Nichts geschah. Sie grätschte über ein Blumenbeet zum Seiteneingang, der nicht verriegelt und kinderleicht zu öffnen war. Sorgfältig zog sie das Gartentor hinter sich zu. Nun war sie vor neugierigen Blicken geschützt und sah sich um. Wenn man Kinder hatte, versteckte man üblicherweise für alle Fälle irgendwo einen Ersatzschlüssel. Zum Beispiel unter diesem Backstein. Tatsächlich!
Drinnen roch es nach gebratenem Hackfleisch und feuchter Wäsche. Die Küche ließ Kate schnell hinter sich. Hinter dem großen Zimmer im Eingangsbereich, in dem Bauwerkzeuge herumlagen, gab es noch einen kleineren Raum, in dem ein großes Foto von einem Wal an der Wand hing. Das Bild schien Gavin gewidmet zu sein. Kate stöberte in den auf dem Schreibtisch gestapelten Papieren herum.
Auf einer Postkarte entdeckte sie Yvonnes Handschrift. »Danke, Gavin. Das war wirklich sehr freundlich.«
Zunächst fühlte sie sich versucht, die Karte in ihre Tasche gleiten zu lassen, aber dann fiel ihr auf, dass sie als Beweis sicher nicht taugte. Man konnte die Botschaft auslegen, wie man wollte; trotzdem wäre es wohl schwierig, jemanden zu überzeugen, dass sie von einem Erpressungsversuch kündete. Vielleicht hatte Gavin Yvonne nur ein Jogging-Verzeichnis geliehen oder ein paar Poster für die Freunde der Fridesley Fields fotokopiert. Eilig durchsuchte Kate die restlichen Briefe und Notizen auf dem Schreibtisch, fand aber nichts Verdächtiges. Wie konnte sie auch annehmen, Gavin würde Spuren einer nicht ganz sauberen Weitergabe von Informationen einfach so zur Selbstbedienung herumliegen lassen?
Noch einmal sah sie sich um. Eine Pinnwand mit Notizen, ein Regal voller Taschenbücher, ein verstaubter Amstrad-Computer.
Kates allererster Computer war ein Amstrad gewesen, und sie wusste noch, wie man ihn hochfuhr. Gavin hatte die Disketten ordentlich beschriftet und in einer durchsichtigen Plastikdose verstaut. Kate fand die Boot-Diskette, schaltete das Gerät ein und steckte die Floppy in den Schlitz.
In diesem Augenblick klingelte das Telefon.
Das Geräusch schrillte derart laut durch das leere Haus, dass Kates Herz beinahe aussetzte. In Windeseile riss sie die Diskette aus dem Laufwerk, warf sie in die Dose, schaltete den Computer aus und rannte hinaus. Dabei stolperte sie über ein Metallstück, das Gavin offenbar als Türstopper benutzte. Sie rieb sich das Schienbein und stellte fest, dass das Teil wie eine überdimensionale Ausgabe des Schlüssels aussah, der ihrem in Teilen gelieferten Bücherregal für das Festziehen der Schrauben beigegeben worden war. Das Regal litt im Übrigen heute noch unter einer üblen Schlagseite. Was auch immer das Ding darstellen mochte, es war äußerst solide und schwer, und es tat verdammt weh.
Sie hatte Zeit, das Haus durch die Hintertür zu verlassen, ordentlich abzuschließen, den Schlüssel unter dem Ziegelstein zu verstecken und sich durch die Seitentür zu schlängeln, ehe das Telefon endlich zu klingeln aufhörte. Als sie zu Hause ankam, hatte sie ein Gefühl wie nach einem langen, anstrengenden Lauf.
Ungefähr eine halbe Stunde später klingelte es an ihrer Haustür.
»Darf ich hereinkommen?«
Es war Detective Sergeant Taylor. So sauber, nett, konservativ und fremdartig wie immer.
»Um was handelt es sich dieses Mal?«, fragte sie, während sie ihn mit einer Handbewegung aufforderte, sich zu setzen. »Wollen Sie mir wieder ein paar schmutzige Fotos zeigen?«
»Wir ermitteln noch in einer anderen Angelegenheit, die vielleicht, vielleicht aber auch nicht, mit dem Tod von Mrs. Baight in Zusammenhang steht«, sagte er mit seiner vorsichtigen, neutralen Stimme. Kate fühlte sich versucht, ein
Weitere Kostenlose Bücher