Mord in Oxford
gerade. »Ich fand es toll. Spannend, interessante Charaktere und überaus witzig. Haben Sie jemals darüber nachgedacht, Krimis zu schreiben? Ich bin sicher, das würde Ihnen liegen.«
»Im Augenblick arbeite ich tatsächlich an einem Kriminalroman«, erklärte Kate. »Erst sollte es nur um einen Raub gehen, aber dann wurde ein Mord daraus. Außerdem war eigentlich ein historischer Roman geplant, der im napoleonischen Frankreich spielen sollte; aber mit einem Mal wurde etwas Zeitgenössisches daraus.«
»Und nach der Art und Weise zu schließen, wie Sie ständig das Fenster im Visier haben, sind Ihre Einfälle auf genaue Beobachtung Ihrer Umgebung zurückzuführen.«
»Wie meinen Sie?«, schreckte Kate auf, die gerade eine grüne Regenjacke über die Straße huschen und die Stufen zum Clarendon Building hatte hinaufhasten sehen. Aber dann beruhigte sie sich. Es war nicht Gavin. Sie nippte an ihrem Kaffee.
»Langweile ich Sie?«, fragte Liam. »Sind Sie vielleicht mit jemandem heftig liiert? Gefallen ihnen große, dunkelhaarige Männer nicht so besonders? Möchten Sie, dass ich gehe und Sie allein lasse?« Kate sah ihn an. Seine Augen wirkten gleichzeitig belustigt und besorgt, gemischt mit einer kleinen Unsicherheit. »Oder stecken Sie nur bis über beide Ohren in den spannenden Nachforschungen, von denen sie uns allen dieser Tage beim Mittagessen erzählt haben?« Kate spürte, wie sie rot wurde, aber Liam fuhr fort: »Kurz bevor Sie mir Ihre Aufmerksamkeit entzogen haben, war ich drauf und dran, Sie zu fragen, ob Sie nicht Lust hätten, mit mir ein Konzert zu besuchen. Janá č ek , Tippett, Lutoslawski.«
»Sehr gern sogar«, sagte Kate rasch, noch bevor sie sich ermahnen konnte, dass sie keinesfalls auf einen neuen Mann erpicht war. Er würde nur Ansprüche an die Zeit stellen, die sie eigentlich vor dem Computer verbringen sollte. Außerdem mochte sie die Musikrichtung ganz und gar nicht.
In diesem Augenblick gewahrte sie grünen Goretex und dunkles Haar. Gavin befand sich in Begleitung eines Mannes in grauem Anzug und Burberry. Sie überquerten die Straße an einer Ampel und entfernten sich Richtung Radcliffe Square. Kate musste unbedingt hinterher. Gavins Begleitung sah weiß Gott nicht so aus, als hätte er auch nur das geringste Interesse daran, die Welt zu retten. Eher schon, als hätte er ein paar gute Pläne in der Tasche, wie man den Planeten am besten ausbeutete.
»Rufen Sie mich doch an«, sagte sie. »Ich muss jetzt wirklich gehen.« Sie stand auf und bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge. Liam blieb sitzen und sah sie an.
»Ich weiß ja, dass Sie eine Läuferin sind«, sagte er, »aber das ist doch nun wirklich zu viel des Guten.«
Kate hatte keine Zeit, sich weiter um ihn zu kümmern. Sie musste sich sputen, wenn sie Gavin und seinen Kumpel einholen wollte, ohne sie im Gewimmel der High Street zu verlieren. Eilig lief sie über das Kopfsteinpflaster des Radcliffe Square. Wie eine Festung dräute zu ihrer Linken die Radcliffe Camera hinter einem Verteidigungsring aus Kastanienpfählen. Zur Zeit war zwar noch keine Touristensaison, aber die Verwalter schienen wild entschlossen, von der sommerlichen Invasion auf keinen Fall den gepflegten grünen Rasen zertrampeln zu lassen. In dem schmalen Gässchen neben der Kirche St. Mary the Virgin wich Kate ein paar Radfahrern aus und erreichte die High Street. Sie war froh, dass sie eine lange Hose und flache Schuhe trug. Zwar war das nicht gerade der Gipfel der Eleganz, aber äußerst praktisch, denn sie konnte im Zickzack durch die High Street laufen, ohne Gavin und den anderen Mann aus dem Blick zu verlieren, die jetzt die Straße überquerten. Kate zog den Kopf zwischen die Schultern und verkroch sich hinter anderen Passanten, die ebenfalls über die Straße wollten. Gavin und sein Begleiter diskutierten heftig. Kate traute sich allerdings nicht so nahe an die beiden heran, dass sie etwas hätte verstehen können. Plötzlich wurde ihr klar, dass sie sich vor Gavin fürchtete. Sie wollte unbedingt etwas Konkretes finden, das ihn mit der Entwicklungsgesellschaft und Yvonnes Erpressungsversuchen in Verbindung brachte.
Gavin und der Fremde gingen die King Edward Street Richtung Oriel Square hinunter. Kate warf einen kurzen, begehrlichen Blick in das Schaufenster eines Modegeschäfts, um sich sofort anschließend scheinbar in die Sonderangebote des Weinladens nebenan zu vertiefen.
Ohne sich umzuschauen, betraten die beiden Männer ein dunkles
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