Mord in Oxford
wenig zu sticheln, unterließ es aber. Ob jemand gesehen hatte, wie sie aus Gavins Haus kam?
»Es geht um das Verschwinden einer Sammlung von Emaille-Dosen«, sagte Taylor, und Kate war froh, dass sie den Mund gehalten hatte. »Haben Sie vielleicht eine Ahnung, um was es geht, Miss Ivory?«
Gleichzeitig wandten sie ihren Blick dem Kaminsims zu, wo Kate ihren Nippes aufbewahrte. »Ich fürchte, mit Emaille kann ich nicht dienen«, sagte sie. »Ich habe nur eine geblümte Porzellandose. Ein Geschenk von einer Freundin. Emaille ist mir ehrlich gesagt einen Tick zu teuer.«
Paul Taylor stand auf und ging wie von ungefähr zum Kamin. Genau wie beim letzten Mal.
»Falls Sie das Bedürfnis überkommt, Ordnung zu schaffen, kann ich Ihnen das Regal unter der Treppe empfehlen. Ein wirklich lohnendes Objekt«, sagte Kate hastig, noch ehe er etwas berühren konnte.
Er drehte sich um und grinste sie an. »Ich liebe gerade Linien.«
»Das habe ich bemerkt.«
»Es geht um eine Sammlung von Emaille-Gegenständen aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert. Eigentum eines gewissen Mr. Keith Smith.« Seine Stimme war wieder völlig unpersönlich geworden.
Verwirrt sah Kate ihn an.
»Sie kennen ihn vermutlich eher unter dem Namen Theo.«
»Ach, Roses Mann!«
»Zurzeit lebt er mit einer Freundin in der Redbourne Road. Die Sammlung verschwand in der gleichen Nacht, in der auch Mrs. Baight ermordet wurde. Wir schätzen solche Zufälle nicht besonders.«
»Ich auch nicht«, platzte Kate ohne nachzudenken heraus. »Es muss da einen Zusammenhang geben.«
»Ja.« Er wartete, dass sie weitersprach.
»Tut mir Leid«, erklärte sie. »Ich habe Ihnen ja bereits gesagt, dass ich nur eine hart arbeitende Schriftstellerin bin und Ihnen nicht helfen kann.« Sie dachte an die Plastiktüte in ihrem Arbeitszimmer und hoffte inständig, dass er nicht um einen Rundgang durch das Haus bitten würde.
Er sah sie an, als würde er sie am liebsten schütteln, sagte aber nichts weiter. Schließlich wandte er sich zur Tür. Als sie hinter ihm abschloss, glaubte sie ihn etwas murmeln zu hören, das wie ›Blöde Kuh‹ klang.
Kaum war er gegangen, als Kate Roses Nummer wählte.
»Komm rüber und hol deine verflixten Dosen!«, raunte sie ins Telefon. »Sie sind hier nicht mehr sicher.«
17. KAPITEL
H
allo, Kate? Hier ist Liam Ross.«
Sofort liefen Kates Lebensgeister zu Höchstform auf.
»Wie haben Sie meine Nummer rausgekriegt?«
»Das war einfach: Ich bin in die Bibliothek gegangen und habe mich an Ihren Tischgenossen herangemacht.«
»Und er hat Ihnen einfach so meine Telefonnummer gegeben?«
»Erst, nachdem ich etwas Wind gemacht hatte. Ich habe vielleicht ein bisschen übertrieben, wie gut wir beide uns kennen und dass ich Ihnen versprochen hatte, mich wegen des Janá č ek -Konzerts bei Ihnen zu melden.«
»Und dabei hasse ich Janá č ek !«
Am anderen Ende der Leitung wurde es still, und Kate wurde klar, dass sie das Falsche gesagt hatte.
»Viel schwieriger war es«, sagte Liam nach einer Weile, »Sie anzurufen und tatsächlich auch zu Hause anzutreffen.«
»Ich war mit meinen Recherchen beschäftigt«, erklärte Kate. »Für den neuen Roman.«
»Und wie weit sind Sie mit Ihrer Fahndung nach dem Mörder?«
»Darüber scheint ja wirklich jeder Bescheid zu wissen.«
»Nun ja, zumindest jeder, der in der Krypta in Hörweite Ihrer klaren, tragenden Stimme gesessen hat.«
»Und sich bemüßigt fühlte, fremden Leuten bei ihren Unterhaltungen zu lauschen.«
»Tut das nicht fast jeder? Ich dachte immer, das sei der Grund, warum manche Leute gerne allein im Restaurant essen gehen. Immerhin habe ich Sie danach ausfindig machen wollen, um der Sache weiter auf den Grund zu gehen. Es war ungefähr so, als läse man ein ungeheuer spannendes Buch und würde es mitten im fünften Kapitel im Zug liegen lassen.«
»Was ist jetzt mit dem Janá č ek -Konzert?«
»Ich denke, Sie hassen Janá č ek .«
Kate wusste nicht, was sie darauf antworten sollte.
»Wir könnten stattdessen zusammen spazieren gehen«, schlug Liam vor. »Wir könnten eine Runde über die Fridesley Fields drehen und sehen, was es dort Neues gibt.«
Im März gaben die Fridesley Fields nicht besonders viel her.
»Ich verstehe gar nicht, wieso Sie in dieser Angelegenheit so desinteressiert sind, Kate«, sagte Liam, während sie den Fußweg entlangschlenderten.
»Ich bin nicht desinteressiert, ich mische mich nur nicht ein«, gab Kate zurück. Sie fühlte sich ertappt.
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