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Mord in Oxford

Mord in Oxford

Titel: Mord in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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Überschwemmung war endlich zurückgegangen, die Möwen davongeflogen. Nur in den Gräben stand noch Wasser. Im perlmuttfarbenen Licht wirkte das junge Gras wahrhaft giftgrün. Obwohl alles noch matschig und schmutzig aussah, spielten die Kinder der Umgebung bereits wieder Fußball auf der Wiese, und Hunde wurden Gassi geführt.
    Ein kleines Stück weiter unten am Weg mündete ein schmales Sträßchen, das von der Fridesley Road kam und Wheatfield Road genannt wurde. Kate war, wie vermutlich die anderen Gruppenmitglieder auch, bei ihrem turnusmäßigen Überwachungslauf am Mittwochabend dieses Sträßchen entlanggelaufen. Bei Tageslicht sah es hier ganz anders aus. Die zerschmetterten Dachziegel und abgebrochenen Äste waren weggefegt worden. Aber auch heute stand dort der in schwarzes Leder gezwängte Mann, dessen Kombi so eng saß, dass man den Einschnitt seines Hinterteils deutlich erkennen konnte, und ließ den Motor seiner großen Maschine aufjaulen. Gleich würde er einen Kavalierstart hinlegen, der den Gummispuren auf dem Asphalt eine weitere hinzufügte.
    »Clarke!«, ertönte ein Stimmchen aus dem Eckhaus. Eine winzige grauhaarige Frau in blauer Schürze und Pantoffeln schlurfte in den Garten. »Komm einmal her, mein Junge. Du wirst doch nicht einfach so losfahren, ohne mir Auf Wiedersehen zu sagen?«
    Der schwarze Lederhüne nahm seinen Helm ab und verwandelte sich von einem Außerirdischen in einen plumpgesichtigen Mann mittleren Alters mit beginnender Glatze und dem schuldbewussten Ausdruck eines Zwölfjährigen. »’tschuldigung, Mama«, sagte er, »habe ich mal wieder was vergessen?«
    »Du hast mir weder gesagt, wo du hinwillst, noch wann du wiederkommst«, schimpfte sie.
    Brav antwortete der Sohn: »Ich fahre in den Club und bin zum Abendessen zurück.« Er setzte den Helm wieder auf und verschwand in einer Wolke blauer Auspuffdünste die Straße hoch.
    »Hallo, Mrs. Graybel«, rief Sophie, »wie geht es Ihnen heute Morgen?«
    »Ich kann mich nicht beklagen«, sagte Mrs. Graybel, sah aber ganz so aus, als wolle sie gleich damit anfangen.
    »Ich wüsste gern von Ihnen, ob Sie in der Mordnacht irgendetwas gesehen haben«, sagte Sophie.
    »Am Mittwoch? Clarke ist mal wieder Motorrad gefahren, und ich war draußen, um ihn zu fragen, wo er hinwollte. Da haben wir dieses Mädchen mit dem fetten Hintern und dem komischen Hut vorbeirennen sehen. Keine Ahnung, was sie in dem Sturm draußen zu suchen hatte. Außerdem kam es mir seltsam vor, so ein dickes Mädchen, das rennt, aber jeder nach seinem Geschmack, oder?«
    »Wohl wahr«, sagte Kate und überlegte, auf wen von ihnen der fette Hintern passen könnte. Sie musterte Mrs. Graybel. Die alte Dame war ein wahres Fliegengewicht; jede einzelne Joggerin der Gruppe musste ihr geradezu enorm vorkommen. So viel also zu ihrem wundervollen Alibi, dachte sie insgeheim. Halb Fridesley musste bemerkt haben, dass sie draußen herumgerannt waren, obwohl offenbar keiner sie zu unterscheiden wusste. Und wie mochte wohl ein Hut aussehen, den Mrs. Graybel ›komisch‹ fand?
    »Ach ja«, sagte Mrs. Graybel gerade, »Sie beide joggen doch auch, oder? Also, ich kann Ihnen sagen, für mich wäre das nichts.«
    »Mag schon sein«, antwortete Kate, die Unverständnis Joggern gegenüber gewohnt war, »wahrscheinlich hat Ihnen jemand gesagt, dass es nicht gut für Sie ist, stimmt’s?«
    Mrs. Graybel blickte ein wenig verärgert drein, weil Kate ihr den Wind aus den Segeln genommen hatte, aber die beiden jungen Frauen verabschiedeten sich schnell und gingen weiter. Doch obwohl Sophie bei ihr war, ihr erklärte, wer die Leute waren und was sie taten, und sie denen, die zu Hause waren, vorstellte, fand Kate niemanden, der etwas Nützliches gesehen oder gehört hätte. Stattdessen hörte sie eine Menge neuen Klatsch.
    Sophie sah auf die Uhr. »In einer halben Stunde kriege ich nochmal Besuch von der Polizei. Ich mache mich jetzt besser auf den Weg. Ich will vorher noch ein bisschen aufräumen, weil ich es auf den Tod nicht leiden kann, Leute in eine unordentliche Wohnung zu bitten.«
    »Danke für deine Hilfe«, sagte Kate.
    »Viel haben wir nicht gerade rausgekriegt«, sagte Sophie. »Es ist wirklich schlimm, dass niemals jemand etwas gesehen oder gehört haben will. Machst du noch weiter?«
    »Ich glaube, für heute Morgen langt’s mir.« Wahrscheinlich ging es längst auf Mittag zu. Kate überlegte angestrengt, ob Gavin einer von denen war, der in der Mordnacht eine komische

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