Mord in Oxford
Klar.« Gavin hatte die Initiative verloren, und Kate sah es mit Wohlgefallen. Es war schwierig, jemandem böse zu sein, der einem gerade einen lang gehegten Wunsch erfüllt hat. »Möge der Beste gewinnen – oder wie war das noch?«, fügte er hinzu.
Kate sah ihn an, als erblicke sie ihn zum ersten Mal. Sein Gesicht war durchaus nicht weich, sondern drückte Schwäche aus, gepaart mit einem ausgeprägten Egoismus. Er konnte gefährlich werden. Sie lächelte ihm zu und zerrte an Sophies Arm. »Komm«, zischte sie. Sophie starrte Gavin, sein teuer renoviertes Haus und sein Fahrrad unverhohlen an, und Gavin starrte zurück, während die beiden Frauen sich eilig zurückzogen.
»Er ist doch nur Juniorpartner in einer Steuerberatungsfirma«, stellte Sophie fest. »Wie kann er sich das alles leisten?«
»Vielleicht hat er was geerbt. Außerdem geht Penny doch auch arbeiten – das bringt ebenfalls etwas ein.«
»Klar, aber Penny geht arbeiten, damit sie zu essen haben. Schließlich haben sie zwei Kinder. Pennys Mutter passt auf die beiden auf.«
Kate konnte Sophie nichts über ihren Verdacht sagen, dass sie Gavin auf Tom Grants Gehaltsliste vermutete. Auf keinen Fall wollte sie zugeben, dass sie in sein Haus eingebrochen war und in seinem Schreibtisch herumgestöbert hatte. Sophie sollte auch nicht unbedingt erfahren, dass Yvonne Gavin möglicherweise erpresst hatte. Vermutlich hatte sie es nicht einmal auf sein Geld abgesehen, aber Yvonne wusste sehr wohl, wie man Schmerzen zufügte. Außerdem, so dachte Kate, konnte Gavin durchaus der Grund für den Erfolg der Unternehmensberater White and Darke sein, falls er im Planungsausschuss saß.
»Musst du nicht allmählich zu deinen Polizisten?«, fragte sie Sophie. Sie brauchte jetzt Zeit für sich. Sie wollte nachdenken.
Sophie schien keine Lust zu haben, Kate zu verlassen, aber nach einem flüchtigen Blick auf die Uhr wurde sie dann doch etwas hektisch. Sie würde es gerade noch schaffen, sagte sie, dankte Kate überschwänglich und verschwand endlich.
Das war nun mal endlich ein erfolgreicher Detektivtag gewesen, dachte Kate. Sie war der Wahrheit ein ganzes Stück näher gekommen. Trotzdem musste sie sich jetzt zunächst einmal um Pennys Route für das Gruppenrennen durch Wytham Woods, Port Meadow und die Fridesley Fields kümmern. Auf der Strecke gab es für ihren Geschmack zu viele düstere, einsame Stellen, und zu viele mögliche Schlagwaffen lagen herum. Jetzt, wo sie genauer darüber nachdachte, fiel ihr auf, dass Penny durchaus auf dem Laufenden sein könnte, was Gavins Aktivitäten anging. Sie musste sehr vorsichtig sein, was die beiden anging, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, wo sie Gavin des Mordes an Yvonne überführen konnte.
Langsam, mahnte sie sich. Wie sollte sie ihn denn überführen? Etwa zur Polizei gehen? Mit dem, was sie jetzt wusste? Lieber redete sie mit Andrew. Oder mit Liam. Obwohl – wer weiß, was ein Experte für den blöden Janá č ek in einer solchen Situation taugte. Trotzdem hatte Kate das unbestimmte Gefühl, dass sie sich jetzt liebend gern an die Schulter eines großen, dunkelhaarigen Mannes lehnen würde, der ihr alle Probleme abnähme. Immerhin gut, dass gerade keiner da war – sonst hätte sie sich womöglich noch zum Narren gemacht.
Kate stand an der Ecke der Wheatfield Road und sah zur Fridesley Road hinüber. In diesem Augenblick fuhr ein Mini, dessen Kotflügel mit Rostumwandler behandelt waren, in die Einfahrt eines der Häuser. Zwei kleine Mädchen stiegen aus. Ihre Blondschöpfe waren mit blauen Spangen gebändigt, und in ihren Daunenmänteln sahen sie kugelrund aus. Eines der Mädchen hatte einen Geigenkasten unter dem Arm, das andere trug ein Cello. Ihre Mutter, die wie eine etwas größere Ausgabe der beiden Mädchen aussah, hakte eine Diebstahlsicherung ins Lenkrad, schloss sorgfältig alle Türen ab und scheuchte die beiden Mädchen zur Haustür.
»Hallo, Valerie!«, rief Kate. »Hallo, Amelia und Dorrit!« Die Kinder sahen sie aus trüben blauen Augen an. Volltreffer, dachte Kate. Valerie Binns und ihre beiden Töchter. Die süße kleine Miss Binns. Carey hatte von einem der beiden Mädchen gesprochen. Hieß es nicht, dass Kinder gute und zuverlässige Zeugen waren? Sie würde noch einen Versuch machen, ehe sie heimging. Mit ihrem Block winkte sie den dreien zu. »Ich wollte nur ein paar Fragen stellen«, sagte sie, als wäre es die normalste Sache der Welt.
»Geht es um dein neues Buch?«, fragte Valerie
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