Mord in Tarsis
wir noch nicht genug über die Zusammensetzung der Armee, die sich vor unseren Toren versammelt. Drittens war es stets unsere traditionelle, sehr bewährte Politik, diese Nomadenstämme gegeneinander auszuspielen, anstatt selbst direkt einzugreifen. Bis ich all diese Dinge ausgereizt habe, werden wir uns auf längere Verhandlungen und Unterwanderung verlassen. Haben das alle verstanden?«
»Ja, Herr«, kam die Antwort im Chor.
»Dann geht und tut, was ich angeordnet habe.« Er drehte sich um und schritt aus dem Raum.
In dieser Nacht ging der Fürst von Tarsis zufrieden zu Bett, denn er war für jede Eventualität gewappnet. Er sollte keinen guten Schlaf finden.
»Herr!« Der entsetzte Schrei wurde von lautem, anhaltendem Klopfen begleitet. »Herr, wacht auf!«
Der Fürst von Tarsis saß senkrecht im Bett und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, um die Spinnweben des Schlafes wegzuwischen. »Was ist denn?« bellte er. Ihm kam es vor, als hätte er seinen Kopf gerade erst auf das Kissen gelegt.
»Ihr müßt schnell kommen, Herr! Es ist ein Mord geschehen!«
Jetzt erkannte er die Stimme des Besuchers. Wachtmeister Weit war Hauptmann der Nachtwache, ein zweifelhafter Posten für jemanden, der seinen eigenen Schatten fürchtete. »Und warum sollte das meine Aufmerksamkeit erfordern?« schimpfte der Fürst von Tarsis. Sein Tonfall versprach böse Folgen für jeden, der seine Nachtruhe störte.
»Es ist der Botschafter der Wilden, Herr, der, den sie Yalmuk Blutpfeil nennen!«
Bei dieser Nachricht sprang der Fürst aus dem Bett, lief zur Tür und riß sie auf. Der Wachtmeister stürmte herein. Begleitet wurde er von einem Diener, der wortlos daranging, seinen Herrn mit geübter Gründlichkeit anzukleiden.
»Es war am Ende der dritten Nachtwache, Herr. Die Hafenpatrouille hatte gerade ihren Rundgang am alten Ufer beendet und kehrte mit einem Zug festgenommener Übeltäter zurück…«
Der Fürst interpretierte diese amtlich klingenden Worte mit der Leichtigkeit langer Erfahrung. Die Wachen hatten in einer der Tavernen getrunken, die die ganze Nacht geöffnet hatten, und waren mit der erforderlichen Anzahl Festgenommener zurückgekehrt. Diese waren wahrscheinlich Betrunkene, die von den Tavernenbesitzern hilfsbereit übergeben worden waren. Die Nachtwache nahm nur Betrunkene fest und ließ die räuberischen, verfeindeten Straßenbanden stets in Ruhe. Alles, wofür die Wachen eigentlich gut waren, war, bei einem Feuer in der Nacht Alarm zu schlagen.
»… als sie einen großen Lärm von der Plaza her hörten.«
»Welcher Plaza?« fragte der Fürst geduldig. Weit war ein typischer Wachtmeister, was bedeutete, daß er selbst in nüchternem Zustand etwas langsam war.
»Der Plaza vor dem Gericht, Herr. Es hatte sich ein Menschenauflauf um die Statue von Abushmulum dem Neunten gebildet.«
»Was hatte um diese Zeit eine Menschenmenge auf der Plaza zu suchen?«
»Die Taverne ›Zum Faß ohne Boden‹ hatte gerade dichtgemacht, Herr. Sie befindet sich hinter der Statue. Der Körper lag zu Füßen der Statue.«
»Hat man ihn fortgebracht?«
»Nein, Herr. Einer der Wächter rannte zum Gericht und informierte mich über die Sache, und ich habe Wachen um den Körper aufgestellt und kam dann sofort her, um meinen Fürsten zu informieren.«
»Ihr wart im Gericht und habt von dem Menschenauflauf draußen nichts bemerkt?«
»Sie waren auf der anderen Seite der Plaza, Herr«, sagte Weit mit Gleichmut, »und die Mauern sind sehr dick.«
Nicht so dick wie dein Schädel, dachte der Fürst von Tarsis. »Wachtmeister Weit«, sagte er, »ich werde mir die Sache persönlich ansehen. Seid versichert, daß ich selbst zum Gericht finde. Bis ich dort bin, schickt Ihr einen Läufer zu jedem Tor der Stadt. Die Torwächter sind zu informieren, daß sie unter keinen Umständen zulassen dürfen, daß jemand heute nacht die Stadt verläßt, und am Morgen sollen sie die Tore nicht wie gewöhnlich öffnen. Die Tore werden nicht geöffnet, bis ich es ausdrücklich anordne. Habt Ihr mich verstanden?«
»Absolut, Herr!«
»Dann geht und tut, was ich gesagt habe.«
Mit bis zum Platzen geschwellter Brust nahm Wachtmeister Weit Haltung an, salutierte schmissig, machte auf dem Absatz kehrt und marschierte aus dem Schlafgemach.
Der Fürst von Tarsis, den der Mord und dessen mögliche Folgen aufgewühlt hatten, folgte bald darauf. Als er, flankiert von Wachen mit Fackeln und Laternen, durch die düsteren Straßen schritt, fürchtete er
Weitere Kostenlose Bücher