Mord in Tarsis
allein.
»Euer heiliger Mann scheint eine hohe Meinung von sich zu haben«, sagte der Fürst.
»Diese Geistersprecher sind meistens Schwindler«, knurrte der Mann. Von dem vielen Wein, den er getrunken hatte, waren seine Augen verhangen. »Sie arbeiten nicht, sie besitzen keine Herden, sie kämpfen nicht, aber sie glauben, sie könnten ein leichtes Leben haben und bei allen wahren Männern angesehen sein.«
»Ich stimme völlig mit Euch überein. Ihr werdet bemerken, daß Priester in den Angelegenheiten von Tarsis nichts zu sagen haben. Wir lassen sie ihren Göttern dienen, während reiche und kriegerische Männer die Angelegenheiten unserer Stadt regeln. Ich höre, Ihr seid Häuptling eines großen Stammes. Es muß Euch ärgern, wenn Ihr seht, daß ein einfacher Schamane so viel Ansehen genießt – anstelle eines würdigen Mannes, wie Ihr es seid.«
Yalmuk schüttelte den Kopf. »Ich würde die Entscheidungen meines Häuptlings nie in Frage stellen. Er ist nicht wie andere Männer.«
»Natürlich nicht. Ihr seid ein äußerst loyaler Mann. Ich weiß mehr als jeder andere, wie wertvoll ehrenhafte Menschen sind. Während ich ganz sicher bin, daß Ihr Euren Häuptling niemals verraten würdet, könnte es diesem Schamanen gelingen, ihn gegen Euch aufzuhetzen. Solche Männer können es nie ertragen, wenn andere in der Gunst ihres Häuptlings zu hoch stehen. Sollte es soweit kommen, so wißt, daß Ihr hier in Tarsis einen Platz habt.«
»Ich habe keine Sorgen in dieser Richtung«, sagte der Botschafter, doch seiner Stimme fehlte es an Nachdruck.
Als das Bankett sich dem Ende näherte, war der Fürst von Tarsis mit dem Gift zufrieden, das er verspritzt hatte.
Spät am nächsten Tag saßen die Mitglieder des Inneren Rates auf ihren gewohnten Plätzen und lieferten nacheinander ihre Berichte beim Fürsten ab. Geheimrat Rukh sprach als erster.
»Herr, ich habe drei der Gesandten zu mir nach Hause eingeladen, den Botschafter und zwei Häuptlinge mit Namen Guklak und Speerbrecher. Botschafter Yalmuk hat seinen eigenen Kopf, aber insgesamt halte ich ihn seinem Häuptling gegenüber für treu. Guklak ist Kyaga fanatisch ergeben. Speerbrecher dagegen ist reif für die Rebellion. Kyaga hat ihn im Kampf besiegt und seinen Stamm der größeren Nation einverleibt. Speerbrecher grollt wegen dieses Verlustes seiner eigenen Führungsposition. Außerdem ist er dumm und verschwenderisch und daher sehr goldgierig. Er ist für ein paar Münzen zu haben.«
»Sehr gut«, sagte der Fürst, der seine eigenen Zweifel an der Loyalität von Botschafter Yalmuk für sich behielt. Gleichermaßen behielt er seine Zweifel an Geheimrat Rukhs Bericht für sich. Was auch zwischen dem ehrgeizigen Aristokraten und den Nomaden geschehen war, Rukh würde es so berichten, daß es seinen eigenen Plänen diente. Der Fürst von Tarsis wußte, daß er nur Informationen Glauben schenken durfte, die von mehreren Quellen bestätigt wurden, einschließlich dem, was ihm von seinen eigenen Spionen überbracht wurde, die er in jedem adligen Haushalt plaziert hatte. Er hörte die anderen Ratsmitglieder an, und jeder hatte weitgehend ähnliches zu berichten.
»Das ist ausgezeichnet«, sagte der Fürst, als alle gesprochen hatten. »Unter den Gesandten scheint die Aufteilung in etwa so zu sein: Ein Drittel ist Kyaga absolut treu ergeben, ein Drittel ist schwankend, und ein Drittel ist bereit, gegen eine angedeutete Bestechung eine Rebellion anzuzetteln. Mit diesem Wissen können wir beginnen, Kyagas Machtposition zu unterwandern. Es scheint fast sicher, daß der Großteil seiner Unterhäuptlinge, die sich auf der Ebene vor unseren Toren aufhalten, ähnlich unzuverlässig ist. Ich werde die Verhandlungen so lange wie möglich hinziehen, während Ihr weiter die Häuptlinge bearbeitet.
Gebt ihnen reichlich Geschenke. Versprecht ihnen Titel und Würden, denn das kostet uns nichts. Versprecht ihnen Gold und andere Schätze, selbst tarsische Frauen als Weiber und Konkubinen. Die Bezahlung kann immer noch verschoben werden.«
»Kyaga Starkbogen kommt morgen früh, Herr«, erinnerte ihn Geheimrat Melkar. »Vielleicht ist er nicht in der Stimmung für Verhandlungen.«
»Wenn nicht, werden die Verteidigungsmaßnahmen bereit sein«, versicherte der Fürst von Tarsis.
»Herr«, sagte Geheimrat Alban, ein alter Mann, der für seinen ausufernden Aberglauben bekannt war, »mein Sterndeuter warnt mich, daß Tarsis eine finstere Zukunft bevorsteht. Er sagt, die Sterne würden
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