Mord in Tarsis
einen Krieg mit Armeen, Zauberern und Drachen verheißen. Verfügt dieser Schamane von Kyaga womöglich über mächtige Magie? Wenn ja, welche Schritte sollen wir ergreifen, um seine Sprüche abzuwehren?«
Der Fürst hatte zu kämpfen, um seinen Ärger zu verbergen. Er hatte wenig Geduld mit Alban, aber der Mann war unglaublich reich – und nicht zu unterschätzen. Zauberer! Drachen! Dinge aus der Geschichte, aus Legenden! Was hatten die mit Krieg und Diplomatie in der modernen Welt zu tun! Dennoch redete er besänftigend.
»Geheimrat Alban, ich habe mit diesem Mann gesprochen und schätze ihn als einfachen, unwissenden Mann der Stämme ein. Ich habe mich auch mit Kaufleuten beraten, die unter den Nomaden weit herumgekommen sind. Alle versichern mir, daß die Stammesschamanen nichts weiter als prahlerische Scharlatane sind. Sie sagen, sie würden mit den Toten reden, und wenn schon? Ist ein toter Wilder etwa gefährlicher als ein lebender?« Das brachte den Rat zum Kichern. »Darüber hinaus praktizieren sie ein wenig Heilkunst und Flüche. Manche davon erfordern überhaupt keine Magie; andere sind Sprüche der schwächsten Sorte. Wenn die Nomaden wirklich große Zauberkünstler wären, hätten sie die Welt dann nicht schon lange unterworfen?«
»Das sind kluge Beobachtungen«, räumte Alban ein, »doch es besteht die Möglichkeit, daß sich etwas verändert haben könnte. Ich habe beunruhigende Nachrichten erhalten, meine Herren. Posten auf den Mauern haben eine seltsame Erscheinung am Himmel gesehen: eine riesige, geflügelte Kreatur, und dazu haben sie das Schlagen großer Flügel gehört. Mein Zaubererstab bestätigt, daß es sich um einen echten Drachen vom Rang eines Großen Wurms handeln könnte. Wenn dem so ist, bedeutet es große Schrecken und Veränderungen.«
Der Fürst von Tarsis seufzte. Das war genau das, was er zu so einer Zeit nicht brauchen konnte. Warum war er gezwungen, sich mit einem solchen Idioten abzugeben? Er beantwortete sich seine eigene Frage im stillen: Weil er reich und mächtig ist, darum. Laut sagte er: »Mein geschätzter Geheimrat, ich muß Euch daran erinnern, daß in dieser Gegend seit Generationen kein Drache, welcher Größe auch immer, mehr gesichtet worden ist. Außerdem sind die meisten Wachen auf unseren Mauern fremde Söldner, Männer der primitivsten und abergläubischsten Sorte. Sie würden in jeder Sturmwolke einen Drachen sehen, genau wie sie in jedem Waldschatten eine Dryade und in jedem dunklen Zimmer einen Geist sehen würden.« Bei den anderen brach unterdrücktes Kichern aus. »Dennoch«, fuhr er fort, »dürfen wir nichts außer acht lassen. Bitte setzt Eure Forschungen fort, wie Ihr es für das beste haltet.«
»Wenn alle hier zustimmen, werde ich ein Komitee der gelehrtesten Männer von Tarsis zusammenstellen, um eine Strategie aus Gegensprüchen zu entwickeln.«
»Bitte tut das, Geheimrat Alban«, sagte der Fürst. Wenigstens würde der alte Dummkopf ihm auf diese Weise nicht mehr im Weg sein, wenn er zum eigentlichen Geschäft der Diplomatie überging. »Nun wieder zur Tagesordnung. Ist alles für den Empfang von Kyaga Starkbogen bereit, wenn dieser morgen eintrifft?«
»Die Ehrengarde ist versammelt und vorbereitet, Herr«, berichtete Geheimrat Rukh. »Die Musikanten proben zur Stunde. Die getrockneten Blütenblätter, die vom letzten Empfang übrig sind, stehen auf den Balkonen in Körben bereit, damit die Damen sie hinunterwerfen können. Wenn dieser Wilde im Sommer gekommen wäre, hätte man ihn mit frischen Blüten überschütten können, aber anscheinend hat er keinen Sinn für die rechte Zeit.« Wieder erhob sich Gelächter. Geheimrat Rukh fuhr fort: »Im Ernst, Herr, ein Zug durch die engeren Straßen wäre eine ausgezeichnete Gelegenheit, um uns dieses angeblichen Herrn der Welt zu entledigen. Ein Pfeil, und er ist tot. Die Nomaden würden zur führerlosen Horde werden, die man Stück für Stück massakrieren könnte.«
Der Fürst von Tarsis nickte. »Das ist wahrhaftig eine große Versuchung, und ich habe genau über eine solche Taktik nachgedacht, seit ich weiß, daß der Wilde auf dem Weg ist. Es wäre eine Verletzung jeder diplomatischen Sitte, aber das würde meine Hand nicht aufhalten. Schließlich ist er nicht gerade ein zivilisierter König. Nein, ich habe andere Gründe dafür, die Idee zurückzuweisen. Erstens glaube ich nicht, daß er eine so ernste Bedrohung darstellt, um eine derart drastische Tat zu rechtfertigen. Zweitens wissen
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