Mord in Thingvellir
zu treffen. Bei ihm gibt’s bestimmt heißen Kaffee.
Seine Bitte um ein Treffen kam wirklich überraschend.
Er sagte, er müsse mich gleich heute noch sehen. Aber wollte am Telefon nicht sagen, weshalb. Betonte nur noch einmal mit seiner seidenweichen Stimme, dass es sehr dringend sei.
Das Besprechungszimmer riecht nach Reichtum. Ein langer, dunkler Edelholztisch. Tiefe, lederbezogene Sessel. Und teure Pinseleien an der Wand. Wie man es von einem Anwaltsbüro erwarten kann, das vor allem denen dient, die sich die Reichtümer und Machtposten der Gesellschaft unter den Nagel gerissen haben.
Aus dem Fenster sieht man den Amtssitz des isländischen Präsidenten auf Bessastadir. Die weißen Häuser mit den roten Dächern. Wo das Gespenst Hrafnhetta immer noch nachts durch die Säle geistert. In seiner ewigen Suche nach Rache für Betrug und Mord. Denen zufolge, die an Gespenster glauben.
Der schleimige Einar begrüßt mich besonders warmherzig. Als wären wir beste Freunde. Zumal er ein Heuchler von Gottes Gnaden ist.
Er bietet mir kochend heißen Kaffee und köstliches Gebäck an.
»Du entschuldigst, dass ich mir erlaubt habe, auf der Gläubigerversammlung so aufzubrausen«, sagt er und rührt ausgiebig in seiner Kaffeetasse. »Ich kann dir im Vertrauen sagen, dass es mir gelungen ist, die Bank davon zu überzeugen, dass sie der gerechten Forderung nach Rückzahlung in die Insolvenzmasse nachkommen soll.«
»Es wäre ihnen sowieso nichts anderes übrig geblieben.«
»Zur Zeit werden die Details der Durchführung mit dem Insolvenzverwalter besprochen, und die Transaktionen werden sicherlich vor der nächsten Gläubigerversammlung abgeschlossen sein«, fährt er fort. »Ich fand, du solltest es vor den anderen wissen.«
»Du hast mich doch wohl nicht deshalb hierherbestellt?«
Einar lächelt gutmütig.
»Du kommst doch immer gleich unverblümt zur Sache, Stella, das kann man wohl sagen! Ich wurde beauftragt, einen Fall mit dir zu besprechen, bei dem ich sicher bin, dass deine unverblümte Art ein echter Vorteil sein kann.«
»Hast du einen Fall für mich?«
»Ja, genauso ist es.«
»Etwas, womit sich deine feinen Angestellten nicht die Finger schmutzig machen wollen?«
»Es ist wohl so, dass unsere fähigen Rechtsanwälte nicht genügend Erfahrung haben, um die Verteidigung von Kriminalfällen zu übernehmen. Die Bitte wurde an mich herangetragen, bei dir anzufragen, einfach deshalb, weil mein Mandant nur die Dienste der fähigsten Spezialisten in Anspruch nehmen will, die man für den jeweiligen Fall bekommen kann.«
»Welcher Mandant?«
»Tja, der Fall hat mit dem Tod dieses jungen Mädchens zu tun, über den die Medien in den letzten Tagen ununterbrochen berichtet haben. Wir wünschen, dass du die rechtliche Vertretung und möglicherweise auch die Verteidigung einer Person übernimmst, die in den Fall verstrickt ist.«
»Wer ist das?«
»Er heißt Múhammed Grebase.«
»Der Vater?«
»Ja, es ist der trauernde Vater dieses unseligen Mädchens.«
»Er hat doch wohl kaum bei dir persönlich angeklopft und um Hilfe gebeten?«
»Nein, das nicht, aber sein Mäzen ist schon seit vielen Jahren unser Mandant und übernimmt alle Zahlungen an dich, sowohl dein Honorar für deine eigene Arbeit als auch sämtliche Kosten, die du eventuell wirst auslegen müssen.«
»Wer ist dieser Mäzen?«
»Es ist mir nur erlaubt, diese Frage zu beantworten, wenn du den Fall übernimmst«, antwortet er lächelnd. »Ich weiß, dass du das verstehst.«
»Ist der Vater schuldig?«
»Darüber weiß ich nichts, aber wenn er einen Fehltritt begangen hat, braucht er umso mehr einen fähigen Anwalt.«
»Das sollte natürlich keine Rolle spielen«, füge ich hinzu, »nur dass ich Mandanten nicht leiden kann, die mich anlügen.«
»Ja, mit solchen Umständen ist manchmal schwierig umzugehen.«
Ich überlege. Rechne Plus und Minus gegeneinander auf. Und labe mich dabei an dem starken Kaffee.
»In Ordnung«, sage ich schließlich.
Meine Entscheidung scheint den schleimigen Einar nicht zu überraschen.
»Ich brauche nur einen Moment, um noch offene Details zu klären«, antwortet er. »Soweit ich weiß, ist Múhammed gleich morgen früh als Tatverdächtiger zum Verhör vorgeladen, so dass die Zeit zur Vorbereitung knapp ist.«
»Haben sie denn etwas gegen ihn in der Hand?«
»Das weiß ich nicht, aber du musst ihn wohl heute Abend noch treffen, um dich auf den neuesten Stand zu bringen und um die Lage zu besprechen.«
»Du
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