Mord in Thingvellir
meldest dich«, sage ich und stehe auf.
Im Aufzug auf dem Weg ins Erdgeschoss spüre ich, wie Adrenalin meinen Körper durchströmt. Als ob Jackie Daniels spätabends durch meine Adern düst. Mein langjähriger Lieblingsfreund.
Máki hatte natürlich Recht, wie schon so manches Mal zuvor:
Klosterleben ist nicht mein Stil.
7
Mein Silberpfeil schert leise aus dem Gedränge auf der Reykjanesbraut aus, kurvt durch den Kreisverkehr und in den Smidjuvegur in Kópavogur, wo unzählige Kleinbetriebe Reparaturen aller Arten von Maschinen und Geräten anbieten. Farbenfrohe Namen der Geschäfte und Werkstätten bilden einen Dschungel aus Wörtern und Anzeigen an den Wänden der aneinandergereihten Häuser auf beiden Seiten der Straße.
Múhammed wollte mich im Büro der Firma treffen, die er leitet. Sagte, dass er sowieso bis spätabends arbeiten müsste.
Das große blauweiße Neonschild entgeht keinem, der durch die Straße fährt.
Toppautos.
Unter dem Firmennamen befindet sich weitere Werbung in kleinerer Schrift für bekannte Autofabrikate und Reifen: Toyota, BMW, SAAB, Michelin.
Das Büro ist klein. Aber ungewöhnlich sauber für eine Autowerkstatt.
In einer Ecke sitzt ein Mann Mitte fünfzig, versunken in seine Arbeit an einem hellen Computerbildschirm.
Ich bleibe in der Tür stehen und klopfe an den Rahmen.
Der Mann dreht sich um.
»Múhammed Grebase?«, frage ich. Obwohl das eigentlich unnötig ist, da niemand sonst in der Werkstatt zu sehen ist.
»Ja.«
Er ist kleinwüchsig und schlank. Mit schwarzem Haar, braunen Augen und dunklem Bartschatten an Kinn und Wangen. Trägt einen dunkelblauen Overall.
Am frühen Abend habe ich kurz die Papiere überflogen, die der schleimige Einar mir anstelle seines Mandanten überreicht hat. Nachdem ich offiziell die Verteidigung für Múhammed übernommen hatte.
Einar hat mich zum zweiten Mal an ein und demselben Tag überrascht, als er schließlich verriet, wer hinter meiner Verpflichtung steckte:
Die smarte Snjófrídur.
Die Wege von mir und Snjófrídur haben sich schon einmal gekreuzt. Damals habe ich sie verdächtigt, mit falschen Karten zu spielen. Hielt es für sicher, dass sie wesentlich mehr über die Verbrechen, die im Schatten der Selbstständigen Theatergemeinschaft begangen worden waren, wusste, als sie zugab. Und sprach sie unumwunden darauf an.
Sie war nicht besonders begeistert. Und die Verabschiedung fiel eher unterkühlt aus.
Daher finde ich es umso erstaunlicher, dass sie sich an mich wendet, um Hilfe in diesem Fall zu erhalten. Und alle Zahlungen übernimmt.
Aber Snjófrídur kann es sich ja leisten.
Sie hat die Zeitarbeitsfirma Zeitarbeit & Consulting aufgebaut, nachdem ihr Mann gestorben war und sie mit einem Schuldenberg zurückgelassen hat. Sie machte sie zur größten isländischen Firma, die sich auf die Vermietung und Einfuhr von Arbeitskräften ins Land spezialisiert hat. Führt mehrere hundert Ausländer in ihrer Kartei. Und eine ansehnliche Zahl Isländer. Alles, von ungelernten Arbeitern bis zu Handwerkern, Krankenschwestern und Allgemeinmedizinern.
Laut meiner Unterlagen kam die Familie Grebase vor knapp fünf Jahren durch Snjófrídurs Firma ins Land. Sie mussten ein paar Jahre durch Europa ziehen, nachdem 1991 der Irakkrieg ausgebrochen war. Sie waren vor dem Krieg und der Hoffnungslosigkeit aus dem Nordirak geflohen, wo die Familie seit langem eine Werkstatt besessen hat. Ihre Flucht führte sie über die Türkei nach Holland, Deutschland, Schweden und schließlich nach Island.
Durch die Vermittlung der Firma bekam Múhammed eine Stelle als Automonteur bei Toppautos, und seine Frau Fadíma und die Tochter Soleen Arbeit als Reinigungskräfte. Er bemühte sich, Isländisch zu lernen und erreichte schnell ein passables Sprachniveau. Nach nur zwei Jahren hat er die Leitung der Werkstatt übernommen.
Ich setze mich auf ein kleines Sofa gegenüber dem Schreibtisch. Gebe dem Kerl genug Zeit, um seinen Blick über meinen engen, kurzen Lederrock schweifen zu lassen.
»Wie geht es dir?«, frage ich.
»Ich verstehe nicht, was hier passiert«, antwortet Múhammed, als sich unsere Blicke treffen. Er spricht mit einem starken ausländischen Akzent.
»Nicht?«
»Ich darf meine Tochter nicht beerdigen, obwohl schon fast zwei Wochen vorbei sind, seit sie starb.«
»Hmm.«
»Und dann sagt Árni, dass ich einen guten Anwalt bräuchte, weil ich von der Polizei verdächtigt werde, Soleen etwas angetan zu haben. Ich verstehe das
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