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Mord in Wien: Wahre Kriminalfälle (German Edition)

Mord in Wien: Wahre Kriminalfälle (German Edition)

Titel: Mord in Wien: Wahre Kriminalfälle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Schimmer
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Mangelware in großem Stil auf nicht immer legalem Weg importierte. So pilgerte eine Zeit lang ganz Wien zu seinem vormaligen Lebensmittelgeschäft im Alsergrund, weil hier die Schokolade zu einem sagenhaft günstigen Preis zu haben war. Indessen versüßte Arthold selbst sich sein an sich bürgerliches Privatleben – er hatte Ehefrau und Kinder – mit Luxusschlitten, Kammerdiener, eigenem Rennstall und kostspieligen Animierdamen. Bald aber kopierte der sowjetische USIA -Konzern das zweifelhafte Geschäftsmodell und versorgte fortan die gesamte russische Zone Wiens mit Produktionsgütern aus dem Schleichhandel. Derart vom Thron gestoßen, sah der „Cadbury-König“ sich gezwungen, Wagen und Rennstall zu verkaufen und in ein kleineres Geschäft zu übersiedeln – in eben jenen Delikatessenladen, in dem er jetzt brutal ermordet liegt.
    Vor diesem Hintergrund ist es durchaus begreiflich, dass man den blutigen Racheakt eines lichtscheuen Lieferanten oder gierigen Geschäftemachers vermutet, von dem der abgewirtschaftete Gemischtwarenhändler sich möglicherweise Geld zu Wucherzinsen geborgt hat. Weil der Wachmann die Kontrolluhr vor dem Geschäft zuletzt um 23.32 Uhr gestochen und den Rollbalken da noch geschlossen vorgefunden hat, kann man die Tatzeit auf etwa Mitternacht festlegen. Das deckt sich auch mit den zwei Straßenbahn-Fahrscheinen aus der Manteltasche des Toten, die um 23.30 Uhr in der Linie 38 markiert worden sind.
    Bei den Befragungen der Straßenbahn-Bediensteten erinnert sich eine Schaffnerin an einen Mann, auf den die Beschreibung des Ermordeten passt: Er sei an der Endstation in Grinzing eingestiegen und bis zur Alser Straße gefahren – in Begleitung einer blonden jungen Frau. „Schöne Zähne hat sie gehabt und ein breites, blasses, grell geschminktes Gesicht. Sie war vollschlank und zirka einen Meter sechzig groß. Und, ach ja: Eine braune Pelzjacke hat sie getragen“, weiß die scharfsichtige Schaffnerin zu berichten. Außerdem erstreckte sich das Interesse der Zeugin vom dünnen Oberlippenbart des Mannes über seinen braunen Ledermantel bis auf den Brillantring, der seinen Ringfinger zierte, womit sie der Polizei langwierige Recherchen erspart. Ihr sind die beiden Fahrgäste deshalb aufgefallen, weil der Mann die Frau gebeten hat, ihn in Ruhe zu lassen.
    Die Schaffnerin hat auch gehört, dass vom Heurigen die Rede war, und so steht schon wenig später fest, dass Arthold mit seiner Begleiterin von 20.00 bis 23.00 Uhr in einem Extrazimmer bei Maly in der Sandgasse gesessen ist. Die junge Frau aber kennt man dort nicht. Der zur Suche nach ihr in die Zeitungen gebrachte Aufruf erweist sich als überflüssig, denn „Kommissar Zufall“ kommt zu Hilfe: Als die Kriminalbeamten die Stammlokale des „Schokoladen-Königs“ durchkämmen, treffen sie im Nachtcafé Filmhof in der Neubaugasse auf Kollegen, die gerade zwei Bardamen wegen eines Diebstahls einkassieren. Die beiden haben einen betrunkenen Gast beklaut und beschweren sich: „Typisch – um solche Kleinigkeiten kümmert sich die Polizei, anstatt den Mord am Arthold Hansl aufzuklären!“
    Hellhörig geworden, haken die Kriminalisten nach, worauf die leichten Mädchen ausplaudern, dass der Gemischtwarenhändler in letzter Zeit häufig mit einer ihrer Kolleginnen beisammen gewesen ist. „Adi“ nenne sie sich, sie sei blond und besitze eine braune Pelzjacke. Der Rest ist Routinearbeit. Adrienne Eckhardt wird am Nachmittag des 23. November 1952 zur Vernehmung ins Sicherheitsbüro gebracht.
    Eine Säuglingsschwester auf der schiefen Bahn
    Vorerst wird sie nur als Zeugin befragt. Doch es findet sich ein Passant, der gesehen hat, wie die junge Frau gemeinsam mit Arthold am betreffenden Abend gegen Mitternacht unter dem halbgeschlossenen Rollbalken ins Delikatessengeschäft geschlüpft ist. Nun besteht kein Zweifel mehr, dass Adrienne Eckhardt in direktem Zusammenhang mit dem Mord steht. Sie bestreitet es zwar und behauptet, sie habe das Geschäft sofort wieder verlassen, um nach Hause zu gehen, aber die Beamten vermuten, dass diese ersten Aussagen unrichtig sind. Denn warum hat sie Arthold überhaupt in den Laden begleitet? Und wo ist der wertvolle Brillantring an seinem Ringfinger geblieben und wo das lose Geldbündel, das er Zeugenangaben zufolge stets bei sich hatte? – Die Antworten darauf bleibt die 23-Jährige schuldig.
    Als die Polizei dann die Kleidung sicherstellt, die Adrienne in der Mordnacht getragen hat, entdeckt man verdächtige

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