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Mord in Wien: Wahre Kriminalfälle (German Edition)

Mord in Wien: Wahre Kriminalfälle (German Edition)

Titel: Mord in Wien: Wahre Kriminalfälle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Schimmer
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Flecken auf der braunen Pelzjacke. Die gerichtsmedizinische Untersuchung zeigt, dass es sich tatsächlich um Blut handelt, bezeichnenderweise von der Blutgruppe des Opfers. Die ursprüngliche Darstellung der Ereignisse lässt sich nun nicht mehr aufrechterhalten, und Eckhardt hat sofort eine neue Geschichte parat, die mit dem Obduktionsbefund übereinstimmt: Nach den 40 wuchtigen Hieben gegen seinen Schädel mit einem bis dato noch nicht gefundenen Gegenstand ist der „Schokolade-König“ wehrlos zusammengesackt. Unmittelbar darauf wurde ihm die Klinge eines Wurstmessers, das aus seinem Geschäft stammt und nach dem Mord abgewaschen am Tatort zurückblieb, durch die Kehle gezogen. Weil dabei die Hauptschlagader durchtrennt wurde, dürfte das Blut auf Eckhardts Pelzjacke gespritzt sein. Sie muss also entweder selbst den Mord begangen haben oder dicht danebengestanden sein, als ein anderer ihn verübte.
    Demgemäß bringt „Adi“ in ihrer zweiten Version den „großen Unbekannten“ ins Spiel: Als sie mit Arthold noch ein letztes Bier getrunken habe, sei ein etwa 30-jähriger, dunkelhaariger Mann ins Geschäft gekommen. Er habe Arthold mit den Worten „Servus, alter Gauner!“ begrüßt und von ihm Geld gefordert, das dieser ihm nicht geben wollte. Plötzlich habe der Fremde einen Gegenstand aus der Manteltasche gezogen und damit, als Arthold sich kurz umdrehte, auf dessen Hinterkopf eingeprügelt. „Wenn du schreist, kriegst du auch eine!“, habe der Mann ihr, Adrienne, gedroht. Von da an sei sie wie betäubt gewesen und habe, wenn auch widerstrebend, seine Befehle befolgt: den röchelnd auf dem Bauch liegenden Arnold umgedreht, dem Fremden das Messer vom Verkaufspult geholt und, nachdem es sich als zu stumpf erwies, ein zweites – das schärfere Wurstmesser – herbeigeschafft. Dann habe sie auf Geheiß des Mörders die Messer abgewaschen, das Handtuch, in dem er seine blutigen Hände abgewischt hatte, mitgenommen und sei schließlich besinnungslos vor Angst nach Hause gelaufen, während der Fremde noch im Geschäft geblieben sei. Daheim habe sie nach längerem Grübeln das Handtuch verbrannt und sich entschlossen, nicht die Polizei zu benachrichtigen, weil sie, Eckhardt, aufgrund einer Vorstrafe wegen Erpressung damit rechnen müsse, dass niemand ihre Geschichte glaubt.
    Genauso ist es – die Ermittler glauben ihr nicht, denn sie kennen mittlerweile ihre Biografie: Nach einer schwierigen, von elterlicher Arbeitslosigkeit und Krieg geprägten Kindheit, die Adrienne teilweise in der Obhut ihrer paranoiden Großmutter verbringen muss, absolviert das Mädchen eine Ausbildung zur Säuglingsschwester. Ende 1949 tritt Eckhardt ihre erste Arbeitsstelle im Leopoldstädter Kinderspital an, wo sie sich durchaus gut anlässt. Aber die Begehrlichkeiten der fürsorglichen Pflegerin richten sich auf das männliche Arztpersonal, und so beginnt Adrienne ein Verhältnis mit einem jungen Mediziner, von dem sie sich aushalten lässt. Er bleibt nicht der Einzige. Von einem Griechen, der bei ihr wohnt, wird sie schwanger. Als sie eine Fehlgeburt erleidet und der Kindsvater sie verlässt, versucht sie, den Mann zu erpressen. Der aber zeigt sie an, und Eckhardt wird zu einer bedingten Haftstrafe von drei Monaten verurteilt.
    Nun gerät die junge Frau zunehmend auf die schiefe Bahn. Sie sucht sich eine neue Stelle in einer Fleischhauerei, die sie aber bald wieder los ist, weil man sie mit Gelddiebstählen im Betrieb in Verbindung bringt. Ein weiterer Anlauf, als Säuglingsschwester Fuß zu fassen, endet gleichfalls mit fristloser Kündigung – wieder wegen Diebstahls. Danach rutscht Adrienne unaufhaltsam abwärts, sie verdingt sich als Animiermädchen in verschiedenen Nachtlokalen, wo ihr ein alter Bekannter über den Weg läuft: Johann Arthold.
    Das Phantom im Dufflecoat
    Als Adrienne Eckhardt im Sicherheitsbüro das vermeintliche Geschehen in der Mordnacht schildet, verliert sie doch ihre Fassung und bricht in Tränen aus. Bei der Tatrekonstruktion bleibt sie aber gleichmütig bei ihrer zweiten Version, ohne sich zu widersprechen: Sie habe dem „großen Unbekannten“ bei der Tötung Artholds assistiert. Die Ermittler sehen die Ungereimtheiten in ihrem augenscheinlich falschen Geständnis: Warum etwa ist sie trotz ihrer angeblichen Angst nicht schnurstracks zur Wache im Landesgericht gelaufen, die sich nur wenige Schritte neben Artholds Geschäft befindet? – Sie hätte den Mörder, von dem sie erzählt, noch auf dem Tatort

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