Mord in Wien: Wahre Kriminalfälle (German Edition)
Martha Marek mit Zelio-Rattenpaste begangenen Morde zusammengetragen, bis ihr im Frühjahr 1938 der Prozess gemacht werden kann.
97 Zeugen belasten die mittlerweile 40-Jährige schwer, unter ihnen der Drogist, bei dem sie das Gift gekauft hat. Nichtsdestotrotz weist Martha alle Schuld von sich und simuliert weiterhin die blinde, gelähmte Frau, die in einem speziell konstruierten Stuhl in den Gerichtssaal getragen werden muss. Letztlich bringt eine gezielte Frage des Staatsanwalts die Angeklagte ins Wanken: Wozu sie eigentlich ein Buch über die Psychologie des Giftmordes gekauft habe?
Auch die öffentliche Meinung kippt. Man ist erschüttert über Mareks Kaltblütigkeit und fragt sich, weshalb sie für sich alle praktikablen Lösungen kategorisch ausschloss: Um ihren Mann loszuwerden, hätte sie sich scheiden lassen können. Ihre Kinder hätte sie, um ohne sie zu leben, in ein Heim geben können. Sie aber entschied sich stets für den radikalsten Weg: Mord. Längst haben ihre vielen vormaligen Fürsprecher sich zu gnadenlosen Rächern gewandelt, die „Bravo!“ rufen, als das Todesurteil verkündet wird. Das Gericht geht davon aus, dass der Bundespräsident, der österreichischen Tradition folgend, Marek als Frau zu lebenslanger Haft begnadigen wird.
Doch zwischenzeitlich ist der „Anschluss“ ans Deutsche Reich erfolgt, und den Nationalsozialisten kommt ein Vorwand für die Beibehaltung der Todesstrafe, die sie während des Austrofaschismus noch massiv bekämpft haben, sehr zupass. Adolf Hitler lehnt einen Gnadenakt ab, die Volksseele kocht ohnehin und Martha Mareks halbjüdische Abstammung gießt weiteres Öl ins Feuer. Man schafft aus Berlin eine Guillotine herbei. Am 6. Dezember 1938 um 5.30 Uhr wird im Wiener Landesgericht der „gefallene Engel“ durch das Fallbeil hingerichtet. Damit ist Martha Marek im 20. Jahrhundert die erste Frau, deren Todesurteil vollstreckt wird.
Atemgift
Stadtgas oder Leuchtgas heißt der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Städten verwendete Brennstoff, der neben Wasserstoff, Methan und Stickstoff hochgiftiges Kohlenstoffmonoxid (CO) enthält. In Wien starben bis zum Ende der 1970er-Jahre, als die Gasversorgung endgültig auf das praktisch CO-freie Erdgas umgestellt wurde, jährlich 50 bis 60 Menschen den Kohlenstoffmonoxid-Tod. Weil das Atemgift auch aus anderen Quellen wie etwa schlecht ziehenden Öfen oder Gasthermen in unbelüfteten Badezimmern stammen kann, war die Ursache für die Vergiftung am Leichenfundort oft völlig unklar. Um festzustellen, ob es sich um einen Unfall, einen Selbstmord oder einen Mord handelte, mussten aufwändige Labortests durchgeführt werden. Einer der Pioniere auf diesem Gebiet ist der Forensische Toxikologe Gottfried Machata, der sich an zwei besonders knifflige Fälle erinnert.
Im Ziegelteich ertrunken
Am frühen Morgen des 15. Mai 1963 bemerkt ein Hilfsarbeiter aus Wien-Favoriten einen Körper, der im Wasser eines Ziegelteiches treibt. Wenig später bergen Feuerwehr und Polizei die stark verweste Leiche einer Frau, und der Journalbeamte des Sicherheitsbüros kommt mit der Vermisstenliste an den Fundort. Eine der Personenbeschreibungen scheint auf die Tote zu passen: Karoline Mitteregger*, 45 Jahre alt, 172 Zentimeter groß, brünettes Haar, bekleidet mit einem grünen Wintermantel und dunklen Halbschuhen. Der Ehemann Stefan Mitteregger* hat am 29. Oktober 1962 ihre Abgängigkeit auf dem Kommissariat im zehnten Bezirk angezeigt. Die damals eingeleitete Fahndung nach der schwer Depressiven ist ergebnislos verlaufen.
Jetzt, ein halbes Jahr später, liefert ein Schuh, den die Tote trägt, den entscheidenden Hinweis für die Identifizierung: Die Sohle trägt den leicht verwischten Bleistiftvermerk „S 3 M“. Die Kriminalisten tippen auf einen Schuster als Urheber – offenbar hat er das Kürzel als Gedächtnisstütze für „Frau M. schuldet mir drei Schilling“ notiert. Volltreffer: Der Schuster ist bald gefunden, er erinnert sich an Karoline Mitteregger, für die er die Schuhe repariert hat.
Nun wird dem Ehemann und den drei Kindern die traurige Nachricht vom Tod der Frau überbracht, womit man den Fall eigentlich abschließen könnte – eine Lebensmüde, die ins Wasser gegangen ist. Doch ein Detail stört die Ermittler: Die Tote trägt eine Brille. Weshalb hat die Frau sie nicht abgenommen, bevor sie sich ins tiefe Wasser stürzte? Um ganz sicher zu gehen, ersucht der Leiter der Sicherheitsbüros Hofrat Dr. Heger die
Weitere Kostenlose Bücher