Mord in Wien: Wahre Kriminalfälle (German Edition)
und medikamentöser Therapie nichts wissen. Doch die Nachbarn nehmen ihr die aufopfernde Gattin schon lange nicht mehr ab. Sie drohen mit der Polizei. Erst jetzt, als Emil bereits ein mehrmonatiges Martyrium hinter sich hat, bringt Martha ihn ins Hietzinger St.-Josef-Spital. Eine Blinddarmentzündung habe er, wie sie mit tränenerstickter Stimme in der Aufnahmekanzlei erklärt.
Die Spitalsärzte aber stellen eine doppelseitige Lungenentzündung fest und können Emil nicht mehr retten. Nach drei Tagen ist er tot. Der Krankenhaus-Pathologe, der seinen Leichnam seziert, bestätigt die Diagnose seiner Kollegen. Die Behörden werden nicht verständigt, ein Gerichtsmediziner wird nicht hinzugezogen, die Leiche wird zur Bestattung freigegeben.
Kaum fünf Wochen später stirbt die kleine Inge. Bei der Obduktion im Wilhelminenspital entdeckt der dortige Pathologe gelähmte Stimmbänder sowie krankhafte Veränderungen in Magen, Leber und Darm. Das Kind sei einer Gehirnhautentzündung erlegen, meint der Mediziner und schließt den Akt. Als der kleine Alfons ähnliche Symptome wie seine Schwester entwickelt und ihm dazu noch die Haare ausfallen, kommt auch er ins Krankenhaus – glücklicherweise rechtzeitig. Der Bub überlebt.
Während ihr Kind sich allmählich in der Obhut anderer erholt, richtet Martha Marek ihr Hauptaugenmerk auf eine Großtante, um die sie sich jahrelang nicht gekümmert hat. Die betagte Susanne Löwenstein lebt in gesicherten Verhältnissen und bewohnt eine Villa in Hietzing. Ebendieses Kapital verleibt sich die Nichte ein: Die Tante setzt ihren Namenszug unter das Testament, das Martha zur Alleinerbin macht, und unterschreibt damit ihr Todesurteil. Diesmal stellt der Hausarzt die falsche Diagnose: Krebs. Und wieder erfolgt eine Beerdigung ohne vorherige gerichtsmedizinische Untersuchung.
Anfang 1935 bezieht Martha Marek die Villa der toten Tante in der Kupelwiesergasse, gibt das geerbte Geld mit vollen Händen aus und nimmt, als es zur Neige geht, eine Stelle als Versicherungsagentin an. Aber anstatt rechtschaffener Arbeit hat sie schon ihr neues Opfer im Visier: eine verarmte Schneiderin namens Felizitas Kittenberger. Die Unglückliche hat einen Selbstmordversuch hinter sich, weil sie nicht weiß, wovon sie die Miete für ihr bescheidenes Zimmer bezahlen soll. Martha spielt ihr gegenüber die Wohltäterin und gibt Felizitas für einen monatlichen Unkostenbeitrag bei sich Quartier. Bald summiert sich eine beträchtliche Schuld, für die Martha sofort den Ausweg parat hat: Die Untermieterin muss eine Lebensversicherung zugunsten der Villenbesitzerin abschließen.
Vier Tage später kann die Schneiderin das Bett nicht mehr verlassen, und Martha übernimmt nach alter Manier die Krankenpflege. Doch sie hat die Rechnung ohne Felizitas’ Sohn gemacht: Er taucht in der Kupelwiesergasse auf und will seine Mutter sprechen. Als ihm der Zutritt verweigert wird, bahnt er sich mit Gewalt den Weg ins Krankenzimmer. Dort sieht er auf den ersten Blick, dass seine Mutter im Sterben liegt, und veranlasst ihren Transport ins Elisabethspital. Bedauerlicherweise zu spät. Felizitas Kittenberger erlangt das Bewusstsein nicht wieder. Der Pathologe schreibt „Gehirnhautentzündung“ in den Totenschein, und Martha Marek ist um 6.000 Schilling reicher.
Die Guillotine am Ende
Nachdem auch dieses Geld verpulvert ist, versichert die listige Agentin ihren eigenen Hausrat gegen Diebstahl und mimt wenig später die vom Schicksal gebeutelte, jählings Erblindete. Die Ärzte lassen sich täuschen, die Polizei aber wird hellhörig, als in der Villa angeblich eingebrochen worden ist, denn man findet weder Trittspuren im Garten noch fremde Fingerabdrücke im Haus. Auch die Nachbarn haben die vermeintlich gestohlenen Kunstschätze, das wertvolle Tafelsilber, die kostbaren Pelze und Perserteppiche bisher nie zu Gesicht bekommen. Martha Marek hat dringenden Erklärungsbedarf, doch ihre Rechtfertigungen klingen unglaubwürdig.
Da erscheint Felizitas Kittenbergers Sohn im Büro des Untersuchungsrichters und äußert den Verdacht, dass seine Mutter ermordet worden ist. Jetzt endlich wird die Gerichtsmedizin mit der Untersuchung des Falles beauftragt. Nach der Exhumierung von Felizitas’ Leiche weist der chemische Befund eine tödliche Dosis Thalliumsulfat nach. Auch für die Körper von Susanne Löwenstein, Emil Marek sowie der kleinen Inge müssen die Totengräber in Aktion treten. Stück um Stück werden die Indizien der vier von
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