Mord in Wien: Wahre Kriminalfälle (German Edition)
erstattet: Wildner war in der Nacht von Freitag auf Samstag nicht heimgekommen. Auch in seinem Fußballverein in Wien-Floridsdorf hatte man sich große Sorgen um ihn gemacht, als er am Samstagnachmittag bei der Weihnachtsfeier der U 10-Mannschaft, die er trainierte, nicht erschienen war. Zahlreiche Versuche, Wildner auf seinem Handy zu erreichen, waren fehlgeschlagen.
Nach besonderen Merkmalen, Operationsnarben und Schmuckstücken des Vermissten befragt, erwähnen Bruder und Mutter unter anderem den charakteristischen Ohrstecker – ein kleines goldenes Dreieck, das sich tatsächlich als wichtiger Puzzlestein bei der Identifizierung erweist. Nun ist man beinahe sicher, dass es sich beim Toten von der Brünner Straße um Gerald Wildner handelt. Letzte Gewissheit wird die Obduktion bringen, die jedoch auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden muss, weil die Leiche aufgrund der kalten Witterung gefroren ist.
Inzwischen beschreiben Angehörige und Freunde Wildner als pünktlichen, zuverlässigen und verträglichen Mann, der weder Streit vom Zaun gebrochen noch übermäßig dem Alkohol zugesprochen hat. Zu seiner Ex-Frau und dem gemeinsamen Kind hatte der Stellungslose keinen Kontakt mehr. Sein ganzer Lebensinhalt war jener Fußballclub in Wien-Floridsdorf, in dem er sich nicht nur als Nachwuchstrainer betätigte, sondern wo er als die „gute Seele“ des Vereins auch handwerkliche Arbeiten gegen ein Taschengeld verrichtete.
Ein wichtiger Hinweis für die Ermittler kommt von den Vereinskollegen: Seit einigen Wochen bahnte sich eine Beziehung zwischen Wildner und der ebenfalls geschiedenen Barbara Fuhrmann* an, die ein Einfamilienhaus nahe dem Sportgelände bewohnt und deren kleiner Sohn ebendort Fußball spielt. Einige Clubmitglieder sagen übereinstimmend aus, dass Wildner den Freitagabend gemeinsam mit der Frau in der Sportplatzkantine verbrachte. Gegen 22.30 Uhr hätten die beiden sich von ihnen verabschiedet.
Barbara Fuhrmann bestätigt diese Angaben und schildert der Polizei den weiteren Verlauf des Abends: Gerald habe sie nach Hause begleitet, und in ihrem Wohnzimmer plauderten sie dann noch eine Weile über einem Glas Bier, bis er sich kurz vor 00.30 Uhr auf den Heimweg machte. Da er kein Auto besaß, wollte er die letzte Straßenbahn oder den Nachtbus nehmen. Zwar bat Fuhrmann ihren Bekannten, sie später von seiner Wohnung aus anzurufen, es bereitete ihr aber kein Kopfzerbrechen, dass er es nicht tat. „Schließlich weiß ich, dass er kein großer ‚Telefonierer‘ gewesen ist“, sagt sie, die bis auf seinen Mörder die Letzte ist, die Gerald Wildner lebend gesehen hat.
Mehrere Tötungsarten
Kein großer „Telefonierer“. Von dem Mann, der schon am Folgetag des Leichenfundes in Verdacht gerät, Gerald Wildner ermordet zu haben, muss man das genaue Gegenteil behaupten: Als Kontrollfreak klebt er förmlich an seinem Handy. Dass er so schnell gefasst und der Tat überführt werden kann, ist einigen günstigen Umständen zu verdanken, etwa dem rasch erwirkten Gerichtsbeschluss zur Rufdatenrückerfassung.
Zunächst aber entdeckt ein aufmerksamer Jäger in einer aufgelassenen Lehmgrube im Bezirk Gänserndorf eine Brandstelle. Kriminalisten der Tatortgruppe rücken sogleich aus und finden dort zwei Schlüsselbunde, die sich nachweislich Gerald Wildner zuordnen lassen: Ein Bund gehört zu seiner Wohnadresse, die Schlüssel des anderen sperren auf dem Sportplatzgelände in Floridsdorf. Somit steht einwandfrei fest, dass der Mörder sein Opfer ins Weinviertel brachte, um es in der aufgelassenen Lehmgrube anzuzünden.
Dass Wildner nicht lebend, sondern als Leiche in Brand gesetzt wurde, zeigt die Obduktion, die letztlich am Dienstagabend im Krankenhaus Mistelbach durchgeführt werden kann: Prof. Risser findet keinen eingeatmeten Russ in der Lunge. Als Todesursache diagnostiziert der Gerichtsmediziner ein offenes Schädel-Hirn-Trauma, das von mehreren Schlägen auf den Kopf mit einem stumpfen Gegenstand, etwa einem Hammer, herrührt. Außerdem hat der Täter noch ein scharfes Messer benützt, um seinem Opfer vier glatte Schnittwunden im Nacken zuzufügen.
Aber Erschlagen und Aufschlitzen reichte ihm nicht, er hatte auch noch den Benzinkanister mit dabei, um Wildner bis zur Unkenntlichkeit zu verbrennen. Ein gründlicher und planender Verbrecher also, aber auch ein unerfahrener, der beispielsweise nicht bedacht hat, dass Metallgegenstände wie Schlüssel oder Ohrstecker nicht verbrennen wie
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