Mord in Wien: Wahre Kriminalfälle (German Edition)
verbündeten Preußen beistehen muss. Wieder Mitglied der k. k. Armee wird Gustav 1866 in der Schlacht bei Königgrätz verwundet, kehrt rekonvaleszent nach Wien zurück und verlangt nun mit aller Nachdrücklichkeit die Entfernung der verhassten Gattin aus dem Elternhaus.
Mathilde, die inzwischen den Studenten Albert Mikulitsch kennengelernt hat, fügt sich tatsächlich in die Scheidung und kehrt in ihre Heimatstadt München zurück. Der Schwiegervater bedauerte ihren Weggang so sehr, dass er ihr eine monatliche Rente zahlt und Gustav zwingt, eine Kaution für sie zu hinterlegen.
Bizarre Gefühlsausbrüche
Der Grund für den Abscheu des jungen Grafen vor seiner Ehefrau hat ein hübsches Gesicht: jenes der jungen Stiftsdame Julie Ebergenyi von Telekes – ein eitles, flatterhaftes Ding, das früh das ungarische Elternhaus verlassen hat, um sich in der Hauptstadt des Kaiserreiches dem Lotterleben hinzugeben. Ihr Vater ist begeistert, als er erfährt, dass Graf Chorinsky um Julies Hand angehalten hat, und Gustav selbst giert schon nach der reichen Aussteuer. Einziges Ehehindernis: seine katholische Ex-Gattin. Nur ihr Tod macht seine erneute Heirat möglich – ihr Tod, der auch den überaus angenehmen Nebeneffekt hätte, dass Gustav die hinterlegte Kaution wiedergewänne.
Mordpläne werden geschmiedet. Gustav schickt Mathilde mit Zyankali präparierte Bonbons, die jedoch ihre Wirkung verfehlen. Darauf erwägen er und Julie, einen Helfershelfer für das Komplott zu engagieren, was ihnen dann doch zu riskant erscheint. Letztlich besorgt Ebergenyi sich nochmals Zyankali und verabreicht der Gräfin das Gift eigenhändig. Sie sitzt schon im Zug nach München, als der Graf ihr vor Sentimentalitäten strotzende Liebesbriefe schreibt. Schmachtend nennt er sie „seine Götterjutzi“, „sein schönstes, angebetetes Weiberl“. Dagegen hat er für die todgeweihte Mathilde nur noch den Ausdruck „das Komödiantenaas“ übrig.
Als die mörderische Intrige dann auffliegt, ist es mit der Gefühlsduselei ein- für allemal vorbei. Jetzt hasst Chorinsky die „Götterjutzi“ ebenso glühend wie zuvor seine Ex-Gattin. Im Juni 1868 verurteilt ihn das Münchener Schwurgericht zu 20 Jahren Zuchthaus und nachheriger Landesverweisung. Er wird auf die Festung Rosenburg in Oberfranken gebracht, wo er wenige Jahre später in geistiger Umnachtung stirbt.
Auch Julie Ebergenyi – ohne „von“, denn man hat ihr das Adelsprädikat aberkannt – flüchtet sich in den Wahnsinn. Sie wird aus der „Weiberstrafanstalt“ in Wiener Neudorf in eine Irrenanstalt in Wien-Alsergrund verlegt, wo sie 1873 an der Cholera stirbt.
Schnell ermittelt (nicht im TV)
Dezember 2001. An einem Montagmittag kurz vor Weihnachten verspürt ein Handelsreisender, der im Firmenwagen an der Brünner Bundesstraße nördlich von Wien unterwegs ist, ein dringendes Bedürfnis. Er hält auf einem Parkplatz, geht zum Waldrand – und glaubt, seinen Augen nicht zu trauen: Auf der dünnen Schneedecke liegt, von einem Hauch frisch gefallenen Schnee bedeckt, ein verkohlter menschlicher Körper. Der Tote ist in einer eigenartig selbstbewussten Pose erstarrt, das Kinn emporgereckt, die Arme angewinkelt, als wären die Daumen in den Hosenbund eingehakt. Der Handelsreisende tritt näher, stoppt jedoch sofort, als er die Reifenspuren im Schnee bemerkt. Dann greift er zum Handy und wählt die Notrufnummer der Polizei.
Da offensichtlich ein Gewaltverbrechen vorliegt und man sich wenige Kilometer außerhalb Wiens befindet, übernehmen Ermittler der Kriminalabteilung für Niederösterreich die Amtshandlung. Sie verständigen die Gerichtsmedizin: Prof. Daniele Risser stellt bei der Erstbesichtigung des Leichnams massive Brandspuren am ganzen Körper fest, Kleidungsreste sind nur noch am linken Unterarm vorhanden. Im Stirnbereich des etwa 20 bis 40 Jahre alten Mannes zeigt sich eine schwere Verletzung durch einen stumpfen Gegenstand. Risser konstatiert, dass der Auffindungsort mit Sicherheit nicht der Tatort ist, und weist außerdem auf einen Ohrstecker hin, den der Tote trägt und der bei der Identifizierung helfen könnte.
Wenig später wird in den Medien über den Leichenfund berichtet, worauf sich noch am selben Abend der Bruder des 36-jährigen Gerald Wildner* aus Wien-Donaustadt meldet. Gemeinsam mit der Mutter, bei der Gerald seit seiner Scheidung vor einigen Jahren wieder wohnt, hat er bereits am Vortag im zuständigen Wiener Polizeikommissariat eine Abgängigkeitsanzeige
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