Mord inclusive
die ich letztes Jahr hatte.«
»Hm. Jammerschade, dass sie diesen ganzen Tag versäumt. Sie muss aber bereits krank gewesen sein, als sie landeten, denn sie war ja gestern Abend schon nicht beim Essen. Das heißt, dass es daran nicht liegen kann. Außerdem geht es allen anderen ja gut.« Kyla schien zufrieden.
»Nein, das Essen ist hervorragend«, stimmte ich zu.
»Salat rühre ich trotzdem nicht an, egal, was die sagen.«
»Du isst doch sowieso keinen«, gab ich zurück. Zwar sah man das ihrer perfekten Figur nicht an, aber Kyla ernährte sich ausschließlich von Fleisch, Kartoffeln und Desserts in allen Variationen.
Sie grinste mich nur an. »Stimmt, aber jetzt habe ich eine gute Ausrede.«
Wir waren nun wieder auf ebenem Gelände und bogen um eine Ecke. Links von uns zog sich eine lange Reihe in aller Eile aufgebauter Stände mit grellfarbigen Tüchern, Shirts und allem möglichen Schnickschnack hin. Davor lauerten Dutzende Ägypter, sämtlich in der bodenlangen Galabiya, auf Kunden. Touristen, die sich zu sehr in ihre Nähe wagten, wurden sofort umringt wie in den Specials vom Planet der Tiere, wo die dumme Grille sich zu nahe an den Ameisenhaufen heranwagt. Kyla und ich schlugen einen Haken, bevor sie unserer ansichtig wurden.
Als wir uns jetzt noch einmal der Sphinx näherten, sahen wir, dass Anni mit dem Standort recht gehabt hatte. Am Bus hatten wir höher gestanden und waren dem Monument näher gewesen. Das machte aber niemandem etwas aus. Ringsum hörte ich Zooms surren. Meine winzige Canon besaß nur eine dreifache Vergrößerung, besser als nichts, aber mich packte schon der Neid, als ich sah, wie Tom Peterson wieder seine große Nikon hervorholte. Mit diesem Ding hätte er selbst die Krähenfüße um die Augen der Sphinx sichtbar machen können.
Nimmi schloss zu DJ auf, und beide drückten Keith Kim ihren Apparat in die Hand, der sie bereitwillig vor der Sphinx ablichtete. Dann bat er sie um den gleichen Gefallen. Das Klicken war kaum verstummt, da strebte DJ bereits den Ständen am Straßenrand zu. Nimmi folgte ihm wenig begeistert. Ungläubig schaute ich den beiden nach, aber Sekunden später war DJ bereits heftig beim Feilschen, das er regelrecht zu genießen schien. Ich bin mir nicht sicher, ob er in dem Gewühl überhaupt richtig sehen konnte, was er da kaufte.
Nicht dass ich ihn beobachtete, aber Alan Stratton war der Letzte, der den Weg herunterkam. Er war auch als Letzter aus dem Bus gestiegen, hatte noch ein paar Worte mit dem Fahrer Achmed gewechselt und keinerlei Eile gezeigt. Jetzt holte er Kyla und mich langsam ein.
»Ein Foto, die Damen?«, fragte er und brachte seine Kamera in Anschlag.
Kyla schenkte ihm ein so strahlendes Lächeln, dass er leicht zwinkerte.
Habe ich schon erwähnt, dass ich ein wenig eifersüchtig auf Kyla bin? Die Leute sagen, wir sähen uns ähnlich, was in gewissem Maße auch zutrifft, denn wir kommen beide nach unseren Vätern, die eineiige Zwillinge sind. Ich habe braune, sie dagegen blaue Augen, aber sie sind von gleicher Form. Wir haben beide dunkles Haar und die Shore-Nase, die zum Glück klein und gerade ist. Die Nase meiner Mutter dagegen sieht aus wie eine kleine Kartoffel mitten im Gesicht. Kyla und ich werden häufig für Schwestern gehalten, können aber nicht ernsthaft für Zwillinge durchgehen, wie Nimmi meinte. Kyla ist schlank wie ich, aber zierlich, während ich den robusteren Körperbau eines entfernten Vorfahren geerbt habe, der Bauer gewesen sein muss. Ich konnte schon als Schulmädchen meine Erdnussbutterdose selbst öffnen, aber das war ein schwacher Trost, wenn Kyla dagegen ständig zu Rendezvous eingeladen wurde. So schlecht sehe ich gar nicht aus. An manchen Tagen schaue ich ganz gern in den Spiegel, aber Kyla hat sich von einem hübschen Mädchen zu einer echten Schönheit gemausert. Zwar tat es gut, mit ihr gemeinsam zur Highschool zu gehen, wo wir unzertrennlicher waren als Schwestern, aber immer mal wieder gerieten wir heftig aneinander. Die aktuelle Situation war ein perfektes Beispiel. Kaum tauchte ein ungebundener, attraktiver Mann am Horizont auf, da verwandelte sich Kyla aus einer witzigen, immer zu lustigen Sprüchen aufgelegten Freundin in eine männerfressende Sirene. Sie konnte nicht anders, und weder ich noch Alan Stratton hatten eine Chance, dem zu entgehen. Seufzend schickte ich mich an, unauffällig zu verschwinden.
»Kaum zu glauben, dass dieses Ding einst bis zum Hals im Sand steckte«, sagte Alan, als er uns
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