Mord inclusive
mein aufdringlicher Verkäufer sich inzwischen auf die arme hilflose Fiona gestürzt hatte und sie in das mysteriöse Hinterzimmer führte. Sie tat mir ein wenig leid, ich mir aber noch viel mehr. Denn schließlich war ich selber schuld. Draußen senkte sich die Nachmittagssonne zum westlichen Horizont, und der Wind flaute ab. Achmed, unser Fahrer, stand neben dem Bus und rauchte eine zerknautschte Zigarette. Aber er begrüßte mich mit einem freundlichen Lächeln und öffnete mir gutgelaunt die Tür. »Drinnen ist es nicht kühl, ich darf den Motor nicht laufen lassen«, warnte er noch.
»Kein Problem, ich will nur meine Wasserflasche holen«, versicherte ich ihm.
Im Bus war es stickig, aber noch auszuhalten. »Bus« war eigentlich nicht das richtige Wort. WorldPal sprach von einem Reisebus, aber es handelte sich um ein Mammutgefährt, das innen eher an ein Flugzeug erinnerte als an die schwerfälligen Schulbusse, die ich kannte. Die Sitze waren breit und bequem, hatten gepolsterte Armlehnen und konnten so weit nach hinten gekippt werden, dass sie dem dort sitzenden Fahrgast Ärger machten. Man konnte Fußstützen ausfahren und sich so ganz bequem ausstrecken. Während der Fahrt strömte kalte Luft aus den Schlitzen der Klimaanlage und ließ einen Hitze und Staub der Wüste fast vergessen. Ein solches Fahrzeug war eine eigene Welt, nicht gerade ein fliegender Teppich, aber fast genauso gut und ganz sicher wesentlich bequemer.
Ich ging zu meinem Platz und holte meinen Rucksack aus dem Gepäcknetz. Die Wasserflasche interessierte mich gar nicht, ich brauchte nur einen Vorwand, um einzusteigen. Etwas anderes hätte es auch getan. Was ich suchte, waren ein paar Minuten für mich allein, etwas, das bei einer Gruppenreise schwer zu haben ist. Ich schaute auf die Uhr und versuchte mir den Zeitunterschied zu Austin vorzustellen. 15.00 Uhr in Ägypten bedeutete sieben Uhr morgens zu Hause. Mein Ex war wohl gerade aufgewacht. Mit der neuen Flamme an seiner Seite. Als ich spürte, wie mir die Augen feucht wurden, blinzelte ich ein paarmal. Was hatte ich von den Pyramiden, wenn ich ganz allein war? Vor allem wenn der einzige einigermaßen attraktive Mann nur Augen für Kyla hatte und nicht für mich. Ich kam mir vor wie damals auf der Highschool. Schwermut stieg in mir hoch, wohl ein Nachbeben der Scheidung, die, wie ich hoffte, allmählich seltener werden und mit der Zeit ganz aufhören würden.
Ich schaute mich um, ob ich etwas zur Ablenkung finden konnte, bevor mir das Selbstmitleid den ganzen Tag verdarb. Mein Blick glitt über die Taschen und Rucksäcke in den Gepäcknetzen. Die Sitzordnung in einem Reisebus ist eine wichtige Angelegenheit. Beim ersten Einsteigen markiert jeder seinen Bereich, indem er etwas von seinen Habseligkeiten auf den Sitz legt oder im Gepäcknetz platziert. Für solche Zwecke habe ich immer einen Pullover dabei. Einem primitiven Instinkt folgend, will jeder seinen Platz haben und wird sich empören, wenn er bei der Rückkehr dort einen Eindringling vorfindet. Ich habe schon Reisen gemacht, da wählte man sich den Platz für die ganze Tour. Das löste aber regelmäßig Unmut bei jenen aus, die nicht die besten Plätze abbekamen. Anni war weise genug, uns täglich den Platz wechseln zu lassen, damit jeder einmal die Chance erhielt, ganz vorn zu sitzen. Vielleicht wollte sie ja auch nur verhindern, dass dieselben übereifrigen Reisenden sie permanent mit Fragen überschütteten. Ein, zwei solcher Quasselstrippen gab es in jeder Gruppe. Unsere war Millie Owens gewesen. Erst heute Morgen hatte sie tatsächlich versucht, sich zum zweiten Mal in der ersten Reihe niederzulassen, aber Anni hatte höflich und fest darauf bestanden, sie möge jemand anderem Platz machen. Dass sie so ausgerechnet auf die Bank gegenüber Kyla und mir geriet, hatte uns sehr geärgert. Jetzt, da sie tot war, schämte ich mich ein wenig dafür. Der leere Sitz war eine einzige Anklage gegen meine Gefühllosigkeit.
Leer? Ganz traf das nicht zu. Womit hatte sie ihren Platz markiert? Auf oder unter dem Sitz war nichts zu sehen. Ich schaute nach vorn zur ersten Reihe, die sie ursprünglich einnehmen wollte, und da sah ich es. Im Gepäcknetz lag ein kleiner Rucksack, den sie beim Einsteigen dort verstaut hatte. Millies Handtasche hatte Anni der Leiche abgenommen, um sie den Angehörigen zuzustellen, aber der Rucksack war ihr nicht in den Sinn gekommen.
Ich dachte sorgfältig nach. Am ersten Tag, als Millie in meiner Tasche
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